Johanniterregel und Heilig-Geist-Regel gelten seit der Herausbildung der Krankenpflege als aufopferungsvoller
und selbstloser
Frauenberuf im 19. Jh. als die mittelalterlichen Vorbilder für christliche Caritas bzw. Diakonie. Dabei sind ihr genaues Alter und ihre Entstehungszusammenhänge recht unklar. Regeln von Hospital-Bruderschaften in niederländischen Handelsstädten des späten 12. Jahrhunderts sind dagegen als Originalurkunden erhalten. Die den Kranken zu erweisende Unterstützung und Pflege steht darin nicht in dem liturgischen und asketischen Kontext wie in den Hospitalordensregeln, eher wie gegenseitige Hilfe, die ein reisender Kaufmann zum Beispiel dem andern leistete. Möglicherweise sind die einschlägigen Bestimmungen der bruderschaftlichen Hospitalregeln sogar ursprünglicher als die der Ordensregeln und diese von jenen abgeleitet.
Ziemlich zu Anfang seiner Lebensformen im Mittelalter stellt Arno BORST Hospitalbrüder als Beispiel für Bünde vor, in denen mittelalterliche Menschen ihr Leben zu gegenseitigem Nutzen gemeinsam lebten. Als weiteres Beispiel für Leben in Bünden fügt er Gildenbrüder hinzu. Davor handelt sein Buch vom (im Mittelalter untypischen) Leben als Einzelmensch, anschließend von dem als Herren, Knechte, Stände, später in Rechtsordnungen, Vaterländern, Völkern, Sprachen und schließlich als Gottesvolk. Jedes dieser Kapitel gründet er auf ein zeitgenössisches Selbstzeugnis. Gilden am Beispiel der Schneider von Lincoln aufgrund ihrer vom König angeforderten Selbstauskunft vom Januar 1389, Hospitalbrüder an dem der Johanniter im Königreich Jerusalem aufgrund ihrer Statuten vom 7. März 1182, einem Zeugnis für einen
Bund von Menschen, die ihren Lebenskreis verließen, um freiwillig den Verlassenen zu dienen. ... Dieses Ziel, nicht ein individuelles System von Kompetenzen, begründet ihre Gemeinsamkeit. ... Wenn sie sich im 12. Jahrhundert überhaupt eine Bezeichnung geben, heißt sie nicht Ordo, Ordnung und Orden, sondern Fraternitas, Brüderlichkeit und Bruderschaft.
Obwohl es ihm also gerade nicht um die spätere Berühmtheit dieses Texts als Ordensregel geht oder als der Leitstern der Krankenversorgung vor der medizinischen Wissenschaft, als der die Johanniterregel christlichen Apologeten in der Debatte über die Soziale Frage galt, sondern um seine ursprüngliche, zeitgenössische Funktion, hält sich BORST für die Hospitalbruderschaften an das weltberühmte; für Gilden dagegen an ein gewöhnliches aus irgendeinem Städtchen in England.
Nicht daß es an überlieferten Regeln weniger berühmter Hospitäler aus dem 12.-13. Jh. fehlte; in Größe, Ressourcen, Betriebsumfang, Vielfalt der Hilfeleistungen haben andere Häuser mit dem Johanniter-Haupthospital wohl nicht mithalten können, über die Wirklichkeit in europäischen Städten verraten ihre Regeln dafür wohl umso mehr. Eher schon hat das Interesse der Geschichtsforschung für (Ordens-)regeln ein bißchen mit dem Fortbestehen und der späteren Geltung der entsprechenden Gemeinschaften korreliert. Jedenfalls hat die Forschung es, seit Léon LEGRAND 1901 bei Herausgabe eines Bands mit Regeln selbständiger Hospitäler bereits im ersten Satz des Vorworts unter Berufung auf Jacques de Vitry rundweg postuliert hatte, sie hätten nach der Augustinerregel gelebt und sich, Krankenpflege betreffend an das Vorbild der Johanniterregel gehalten, im großen und ganzen dabei bewenden lassen. Selbst Siegfried REICKE (dem als Rechtshistoriker ungenaue Lebensformen allerdings wohl nicht ganz so wichtig waren wie präzise Rechtstitel) gab sich in seiner aus den Urkundenbüchern erarbeiteten Rechtsgeschichte der deutschen Hospitäler grosso modo damit zufrieden..
Immerhin machte REICKE für Norddeutschland, namentlich Lübeck, Ausnahmen. Daß die stolze Hansestadt mit bis heute erhaltenem Hospitalgebäude und engen Verbindungen nach Flandern wie in den Ostseeraum auch eine Hospitalregel mit flandrischer Verwandtschaft hatte, wissen wir nun durch belgische HistorikerInnen: Griet MARÈCHAL, Historikerin des Sint-Janshospitaal Brugge, zeigt 1976, daß dessen älteste Urkunde, die Regel von Januar 1188 (wie die des gleichnamigen Genter Hospitals von 1196) nicht von der Jerusalemer abstammen können und als besiegelte Originalurkunden zudem zuverlässiger überliefert sind als jene, deren älteste erhaltene Handschrift erst von 1253 stammt Und sowohl in der flandrischen Nachbarschaft (z.B. Ieper 1268) als auch eben über Lübeck bis ins baltische Riga statt der Jerusalemer Regel als Vorbild gewirkt haben. 1981 hat Anne-Marie BONENFANT-FEYTMANS dann die Kommentare von Jacques de Vitry in der Historia occidentalis 1225 über damalige Hospitäler vor dem Hintergrund seiner kirchenpolitischen Position analysiert und gezeigt, daß LE GRANDs Haupt-Zeuge kaum beschreibt, was war, als vielmehr, wie er sich wünschte, daß es sein sollte.
Mein Vorhaben, daran anknüpfend die Verwandtschaftsverhältnisse und Inhalte der ältesten Hospitalregeln, auf die ich ziemlich zu Anfang meines Studiums zufällig gestoßen war und die ich dann zu sammeln begonnen hatte, in der Breite und im Zusammenhang darzustellen, blieb leider nach Vorstudien (als erste Magisterarbeit bei Prof. Giese an der LMU München angenommen) 1985 wegen notwendigen Broterwerbs als «ewiges» Dissertationsprojekt stecken. Ab 1998 erlaubten zwar eigener Computer und Erlernen gewisser Datenbankprogrammier-Techniken, die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Texten quantitativ zu untersuchen. Dieses Roh-Daten-Ergebnis lesbar auszuarbeiten und zuendezuführen, finden sich aber erst jetzt, im Rentenalter (2021) Zeit und Muße.
Borst, Lebensformen, S. 255-261.[x]
[2022-08-10: Während ich mich jetzt allmählich in die aktuelle Literatur zur hochmittelalterlichen Hospitälergeschichte einlese, fällt mir auf, wieviel mehr und Konkreteres wir jetzt über Bruderschaften wissen, ihre Beziehungen mit Hospitälern (Laqua, Bruderschaften und Hospitäler), ihre vielfältigen Betätigungen und ihre bedeutende Rolle in einer révolution de la charité (Sommerlechner, Nord- und Mittelitalien), ihre Rolle bei der Gründung städtischer Kommunen (Kälble, Kommunale Bewegung) und ich stehe sicher erst am Anfang weiterer spannender Entdeckungen. Endlich vorbei die Zeiten, als es über Bautypen und die berühmten Johanniter kaum hinausging.][x]
Borst, Lebensformen, S. 261.[x]
Siehe unten. Ich bin auf die Regel des Eichstätter Hospitals recht früh im Studium durch Zufall gestoßen und habe dann aus Interesse an der Geschichte meines ersten Berufs beständig weitere gesammelt, vor dem Studium hatte ich nämlich beim Zivildienst in einem Altenpflegeheim der Diakonie eine einjährige Pflegeausbildung bekommen.[x]
Darin waren nachmals mächtige Ritter- und bedeutende Hospital-Orden selbständigen Hospitälern überlegen. Über die Beweggründe und Früchte der Ordenshistoriographie der Johanniter seit dem Mittelalter siehe Hiestand, Anfänge der Johanniter, S. 31f. Regeln selbständiger Hospitalgemeinschaften findet man weniger in Prachthandschriften und großen Cartularien als bei LE GRAND, Edition nur zerstreut in Urkundenbüchern und lokalgeschichtlicher Sekundärliteratur.[x]
Le Grand, Edition, beginnt die Einleitung S. V direkt mit: Les religieux hospitalières du moyen âge vivaient selon la règle de saint Augustin. Jacques de Vitry l'affirme formellement dans la chapitre de Hospitalibus pauperum et domibus leprosorum que nous reproduisons en tête de ce recueil. Und fährt S. X mit dem berühmten Zitat aus der Johanniterregel fort: Et in ea obedientia ubi magister hospitalis concesserit cum venerit ibi infirmus ita recipiatur primum peccata sua presbitero confessus religiose communicetur et postea ad lectum deportetur et ibi quasi dominus secundum posse domus omni die antequam fratres eant pransum caritative reficiantur. Cette belle formule [er hält sie sogar für urchristlich] ... Nous allons la voir en effet dominer toute la législation hospitalière du moyen âge et se répéter textuellement dans la pluspart des statuts hospitaliers ... — Bereits ein flüchtiger Blick in die Texte seiner Ausgabe zeigt, daß das höchstens ein frommer Wunsch ist.[x]
Reicke, Spital, 2, S. 19ff. Vgl. hier.[x]
Dort arbeiteten nicht nur Medizin- und andere Spezialhistoriker sondern auch Mediaevisten über Hospitäler und Hospitalregeln: Paul BONENFANT gab als einziger ein Urkundenbuch eines einzelnen Hospitals heraus und edierte 1953 als erster eine Hospitalregel kritisch. Vgl. unten[x]
Maréchal, Brugge, S. 94ff. Die Regeltexte: Brugge 1188, Gent 1196 Jerusalem.[x]
Maréchal, Brugge, S. 100f unter Verweis auf Reicke, Spital, 2, 21f. Der Brugger Text ähnelt Ieper 1268 Der Lübecker Text begegnet ähnlich auch in Kiel 1301, volkssprachlichen Hospitalregeln aus Älborg in Dänemark, aus Barth in Pommern und einer lateinischen Handschrift aus Riga.[x]
Bonenfant-Feytmans, J. de Vitry, S. 22: un témoin bien informé de l'esprit religieux de ce début de siècle, de son évolution, de ses réformes[x]
Siehe unten. Immerhin konnte ich dieses vorläufige Ergebnis 2003 gerade noch rechtzeitig zu Professor Gieses Emeritierungsfeier wenigstens notdürftig zu Papier bringen, bevor ich mich als Gärtner selbständig gemacht habe und wieder keine freie Zeit hatte.[x]
In diesem fast fertigen Abschnitt beschreibe ich zunächst die unmittelbar ersichtlichen Eigenschaften der gesammelten Texte, bevor ich sie im nächsten, 2003 fertiggestellten, Abschnitt vorläufig einfach nach der Quantität übereinstimmenden Wortlauts zu Verwandtschafts-Gruppen zusammenfasse, deren Inhaltsschichten ich dann im gerade begonnenen übernächsten Abschnitt von den jüngeren Zufügungen bis zu den ältesten Kernen freilege, um schließlich daraus später im letzten Abschnitt die geschichtliche Entwicklung der Inhalte quer zu den Texten rekonstruieren zu können.
Die vorliegenden, im Anhang abgedruckten Texte habe ich durch langjährige Auswertung von Hinweisen in Sekundärliteratur gesammelt. Für Reisen und systematische Archivsuche fehlten Gelegenheit wie Mittel. Da eine eventuelle älteste Regel eines Hospitals aber vermutlich überall für wichtig genug erachtet worden ist, irgendwann irgendwo in einem Buch oder Aufsatz wenigstens erwähnt zu werden, denke ich, es wird angesichts der Langwierigkeit des Unternehmens und der vielen Arbeit, die ich den Bibliothekaren der Fernleihstellen der UB und der BSB München bis 1985, universitetsbiblioteket i Tromsø 1982/3 und der Landesbibliothek Wiesbaden seit 1985 verursacht habe, nicht viele geben, die mir entgangen sind.
In jedem Fall hinzugenommen habe ich Texte, die sich selbst in einer Überschrift als regula, ordo oder ähnlich bezeichnen oder, sofern es Urkunden sind, als Gegenstand der Dispositio etwas wie vitam et mores, modum vivendi oder ähnliches nennen.
Solche, die sich nur als statuta bezeichnen oder deren Dispositio nur etwas wie statuimus, ut… sagen, habe ich hingegen nur dann hinzugenommen, wenn ihr Inhalt ähnlich umfassend ist wie bei den ersteren.
Aus etwas späteren Zeiten, als viele Hospitäler bereits etabliert waren (ab dem mittleren 13., bei den Johannitern auch schon aus dem 12. Jahrhundert) gibt es nämlich eine stetig zunehmende Menge von Spezial-Statuten, um einzelne, meist wirtschaftliche oder rechtliche Fälle zu regulieren. Solche habe ich normalerweise fortgelassen, da sie von den Themen her selten wirklich vergleichbar sind, Vergleiche höchstens zu Feststellungen führen würden wie: A hatte eine solche Regelung, alle anderen nichts dergleichen. So kam es, daß die vorhin in der Einleitung als Arno BORSTs Hauptquelle für die Lebensform Hospitalbrüder erwähnten Statuten des Johanniter-Hospitals zu Jerusalem von 1182 in meiner Arbeit weiter gar nicht mehr vorkommen; solche Bestimmungen hatten eben nur die Johanniter, alle anderen nicht (was gerade nicht dafür spricht, sie als Exempel für eine Lebensform vorzustellen).
regula AUB, BEA, GENLep1, GENLep2, KOV, LES, regula vivendi OUD, SSP, SS4, regulares observanti SPO, TVM, BAR, KOV[x]
regula et ordo ABB, AMI, BRG1, BRG2, GEN, KIE, LÜB1lat, NOY, SPO ordo *Ordo monasterii[x]
Regele ofte institutie AAL, Regule constitutio CSU, sta[tu]tum super conversatione et statu et vita fratrum [et sororum] COE, (e)in forme vnd ein wise vnd regel EIC[x]
vitam et mores sub disciplina regulari disponimus AAL, ANT, BRX1, Ordinavimus modum vivendi ... sub hac forma CSE, vitam et mores secundum Regulam beati Agustini sic ordinando disponimus ENG, SHE, modum vivendi secundum religionis regulam statuimus et ordinamus observandum LES, vite modus LMC, [x]
obseruanciis salutares…duximus confirmandas LUEB2[x]
Conventus et consensus AAR, Institucio ANG, BRX2, Fundatio BSG, Constituciones BSN, Statutum et conditionem zenodochii FOS, Ordinatio sive statutum ultra fundationem muper statu et regimine IJZ, Anordnung der kommun SO2, Statuta SO0, Institutiones TRO, Ordinatio UPS, constitucion JERfrz[x]
sic ordinando disposuimus Ut…Statuimus itaque quod GHE, HAR, volumus statuimus et etiam ordinamus quod HAR, decretum est IEPlep, statui hec precepta et statuta JERlat, statuimus et ordinamus *KSN, statuimus ut PAR, quae ut obseruetis praecipimus Praeceptum sic statuendum duximus et statuimus REG, [gar keine Selbstbezeichnung trägt der Text von *TRI][x]
Betrachtet man die Herkunftsorte der gefundenen Texte auf einer Karte, fällt auf, daß sie sich vom nördlichen Frankreich bis in die südlichen Niederlande und dann im Hanseraum konzentrieren. Zwar war das wohl an der Wende vom 12. zum 13. Jh. die am weitesten urbanisierte Gegend nördlich der Alpen. Aber die Städte Köln, Mainz, das südliche Frankreich, Italien, Spanien fehlen. Eine Erklärung wird sich eventuell ergeben, wenn am Ende dieser Untersuchung die Funktion der Hospitalregeln klarer wird. Die eingehende Untersuchung über die Hospitäler Kölns von Benjamin Laqua und der Überblick über diejenigen Nord- und Mittelitaliens von Angelika Sommerlechner deuten an, daß es Hospitäler in Räumen mit sehr hoher Schriftlichkeitsniveau derart viele andere regulierende Schriftstücke gab, daß vielleicht niemand eine Regel vermißt hat, dann wäre vielleicht auch umgekehrt in den weniger urbanisierten Gebieten nördlich und östlich die Notwendigkeit von Hospitalregeln noch nicht als dringend empfunden worden.
Laqua, Bruderschaften und Hospitäler unternimmt einen äußerst detailreichen Vergleich des alten, aber regel-losenKölner mit dem jüngeren Brüsseler Hospitalwesen, wo von 1211 die Regel des St.-Jean-Hospitals erhalten ist. Der MIÖG-Sammelband Scheutz, Europäisches Spitalwesen bietet jetzt gute Überblicke über die europäische Hospitalgeschichte nach Regionen (leider fehlt ein Artikel über das mittelalterliche Frankreich), und darin zeigt Sommerlechner, Nord- und Mittelitalien, daß in den noch weiter urbanisierten südlichen Gegenden eine Vielfalt anderer Schriftquellen die Absichten von Stiftern, Gründern und Autoritäten bezüglich der Form, Organisation, Wirk- und Lebensweise von Hospitälern dokumentieren: Gründungsurkunden, Testamente, Statuten … [↖][x][x]
Von drei der ältesten Hospitalregeln haben wir zugleich die zuverlässigste handschriftliche Überlieferung: denen der St.-Jans-Hospitäler von Brügge und Gent. Sie sind als Original-Urkunden mit (wenn auch nicht taggenauem) Datum vom Ende des 12. Jahrhunderts erhalten. Die ältere der beiden aus Brügge weist eine Menge Bearbeitungen von verschiedenen Händen auf, die in der jüngeren und in der aus Gent zum Teil mit im Textfluß stehen. Bei meiner Textwiedergabe habe ich diese Texte zeichengetreu nach Fotos der Original-Handschriften wiedergegeben, da beispielsweise die Zeichensetzung für das Unterscheiden älterer von später hinzugefügten Textbestandteilen wichtig sein kann. Ist das Formular dieser städtischen Urkunden eher unvollständig,…
Abb. 1b: Brugge, St. Jan, Januar 1188?, Erwartete Nachträge BRGb bis ~f
Abb 1c: Brugge, St. Jan, nach Januar 1188 Interlinear-Bearbeitung BRGg
Abb. 2: Gent, St. Jan, 1196 GEN
Mechelen, Leprose, 1220 Okt. auf Mechelen/Malines, Stadsarchief, S, Hospices (Lépreux), S. I, nr. 1. (Safe II)
Gent, Leprose, 1236 regle der gandser brodre ende sustre uander lazerze hus uan gent 1236 auf Gent/Gand, Archives de l'État/Rijksarchief, Fonds Rijke Gasthuis, voorlopig nr. B4594
…so sind aus dem 13. bis frühen 14. Jahrhundert vor allem von Bischöfen von Cambrai und Tournai Urkunden mit vollständigem Formular original oder als originale Bestätigungen (Vidimus) erhalten, die Hospitalgemeinschaften Lebensregeln, die sie bereits befolgten, bestätigen oder neue vorschreiben. Auch diesen bin ich bei meiner Textwiedergabe zeichengetreu gefolgt.
Abb. 5: Abbeville
Herentals/Hérenthals, Bischofsurkunde, 1253 auf Herentals/Hérenthals, arr. Turnhout, [Hospitalarchiv]
Aalst, Hospital, Regele ofte institutie, 1266 auf Gent/Gand, Archives de l'État/Rijksarchief, Fonds O.L.V.-hospitaal te Aalst, I, 2
Bei den anderen ist der Abstand zwischen dem angegebenen Abfassungsdatum des Textes und der Entstehungszeit der Abschrift wesentlich größer. Ich habe diese Texte einfach nach Drucken und Editionen wiedergegeben und Varianten der Handschriften nur, wo sie zusätzlichen Aufschluß geben könnten, aus den Drucken bzw. Editionen mit übernommen.
Auf die kompizierte Frage nach den ältesten Handschriften der Johanniter- und der Heilig-Geist-Regel gehe ich später ein, wenn die Entstehungszeit dieser Texte zu beleuchten ist. Hier nur, um die Galerie zu vervollständigen, zwei Fotos ihrer wichtigsten Handschriften:
Cambrai/Kamerijk, Hospital S. Julien, Regule constitutio, 1220.05 auf Cambrai/Kamerijk (Diözese), Bibliothèque municipale, Archives hospices de Cambrai, St-Julien, Signatur.: I A 5 (früher no. 329)
Cambrai/Kamerijk, Hospital S. Jean, Modus vivendi forma, 1227.06 auf Cambrai/Kamerijk (Diözese), Bibliothèque municipale, Archives hospices de Cambrai, St-Jean, Signatur.: inseriert in: X A 2 (früher no. 348),
Abb. 10: Jerusalem, Johanniter St. Johannes Baptista, Precepta et statuta, 1154.10.21?
Abb. 11: Roma, S. Spirito, Regula, nach 1229
Von den in den Abb. 1, 10, .. und .. gezeigten Handschriften der ältesten Regel des Brügger Sint-Janshospitaal, der lateinischen Abschrift der Johanniterregel von 1253 und ihrer französischen und mittelhochdeutschen Versionen und von der Prachthandschrift der Heilig-Geist-Regel liegen gedruckte Faksimiles vor.
Abb. 1: BRG - Brugge/Bruges, Archief van het Oopenbar Centrum voor Maatschappelijk Welzijn, St.-Janshospitaal, Charter nr. 1; Pergament, 34*26 cm (nach Katalog sint-janshospitaal1976, S. 342., 3 Siegelschlitze, darin Siegel des Hospitals, des Kapitels der O.L.V.-Kirche und wahrscheinlich des Magistrats (letzteres jetzt verloren) (nach Maréchal, Brugge, S. 38), darauf mehrere Hände, jeweils einzeln hervorgehoben auf den folgenden drei Abb., datiert von der 1. Hand BRGa.[x]
Abb. 1a: BRGa - die erste Hand auf der in Abb. 1 gezeigten Hs. von mehreren Händen: Urkundenschrift, erste und letzte (=Datums-)Zeile elongiert, Leerzeilen zwischen Kapiteln, drei Kapitel unabgeschlossen, datiert Januar 1188, die Erstfassung[x]
Abb. 1b: BRGb bis BRGf - in von BRGa auf der in Abb. 1 gezeigten Hs. frei gelassenen Leerzeilen in untereinander leicht verschiedenen Urkundenschriften kurze «erwartete Nachträge» zu BRGa, nämlich Vervollständigung von unabgeschlossenen Kapiteln und zwei neue - da von BRGa erwartet, wohl noch im von diesem als Datum angegebenen Januar 1188. Vgl. unten zur Unterscheidung der Hände nach der Schrift.[x]
Abb. 1c: BRGg - auf der in Abb. 1 gezeigten Hs. von einer Hand in kursiver Schrift zwischen den Zeilen Änderungen am Text von BRGa, nochmalige Erweiterungen und am Anfang und besonders am Schluß Hinzufügung neuer Kapitel: die Interlinearbearbeitung der Brügger Erstfassung, undatiert, offenbar im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Neufassung[x]
Abb. 3: BRG2 - Brugge/Bruges, Rijksarchief/Archiv de l'État, Aanwinsten, nr. 6509, ein «Plakat» in Buchschrift ohne Siegel und ohne Datum, eine Neufassung der Regel des Brügger St.Jan-Hospitals, in der sich alle Änderungen und Hinzufügungen von BRGg an den gleichen Positionen, einige zusätzliche Kapitel am Anfang und am Schluß mit Parallelen in [GEN] und keine der «erwarteten» Nachträge BRGb bis BRGf finden.[x]
Abb. 2: GEN - Gent/Gand, Stadsarchief/Archive de la Ville, Stadscharters, reeks 94, nr. 17 mit der Regel des Genter St.-Jan-Hospitals, 1196.[x]
Abb. 4: TND - Tournai/Doornik, Archives de l"État/, , Signatur.: Cart. C mit Tournai/Doornik, Hospital Nôtre-Dame, 1197[x]
Abb. 5: ABB - Amiens, Archives Départementales de la Somme, Archives d'Hôtel-Dieu d'Abbeville, F 1, mit Abbeville, S. Nicolai, Bischof Arnoul de la Pierre v. Amiens bestätigt magister, fratres et sorores hospitalis beati nicholai de abbatisuilla regulam et ordinem quem assumpsistis[x]
Abb. 6: AMI - Amiens, Archives Départementales de la Somme, Archives d'Hôtel-Dieu d'Amiens, A 3; , , 13. Jh., f. XLIIIv-XLIXv mit Amiens, Hospital, Regula et ordo, 1233.06[x]
Abb. 7: LUEB2 - Riga, Zentrales Historisches Archiv der Litauischen SSR, Fond 673, opis" 2 (l-1), delo 6 (l-1) mit Lübeck, Heilig-Geist-Hospital, Regula et ordo, 1294 Sabbato karitatis dei[x]
Abb. 8: KIE - Kiel, Stadtarchiv, Urkunden, Nr. 9; Pergament, ca. 50 * 56 cm, 1301 mit Kiel, Heilig-Geist-Hospital, Regula et ordo, 1301[x]
Abb. 9: ENG - Mons/Bergen, Archives de l'État/Rijksarchief, Bestand 'Hôpital Saint-Nicolas d'Enghien', No. 9 mit Enghien, S. Nicolai, Bischofsurkunde 1319[x]
Abb. 9: JERlat - Aarau, Staatsarchiv des Kantons Aargau, Johanniter-Kommende Leuggern, Nr. 7; Pergament, , 1253.10.07 laut Begleitbrief mit Jerusalem, Johanniter St. Johannes Baptista, Precepta et statuta, 1154.10.21?[x]
Abb. 9: SSP - Roma, Biblioteca Vaticana, Fondo Borghese, Signatur.: N. 292 mit Roma, S. Spirito, Regula, nach 1229[x]
Lagleder, Ordensregel (1983), S. 86f.[x]
Bereits in den frühen Sammlungen von Abdrucken mttelalterlicher Texte waren auch auch einige Hospitalregeln enthalten. Die meisten dieser alten Ausgaben sind später durch genauere überholt worden: —Nur BEA, NOY müssen wir noch in solch einer alten Druckausgabe nutzen. Alle anderen Texte wurden mittlerweile neu herausgegeben.
Mit der wissenschaftlichen Entwicklung von Diplomatik und textkritischer Methodik wurden seit dem 19. Jahrhundert die Urkunden bedeutender Körperschaften nach und nach in Urkundenbüchern gesammelt kritisch ediert, darunter auch etliche Hospitalregeln: —Zwei der wichtigsten dieser Texte, JER und LÜB, müssen wir noch in älteren Ausgaben benutzen. Wobei man den lateinischen Text der Johanniterregel immerhin anhand der als Faksimile gedruckten Aarauer Handschrift kontrollieren kann, aber bei der Datierungsfrage vermißt man eine neuere kritische Ausgabe schon. Etwa eine wie die Edition der Brüsseler Regel (deren Original ebenfalls verloren ist) aus zwölf Abschriften durch Paul BONENFANT 1953, ein Glücksfall. Die von den Herausgebern der Lübecker Regeln benutzte Handschrift könnte zur Kontrolle dieser Edition von 1843 auch bald zur Verfügung stehen.
Es gibt zwei Sammelbände eigens mit Editionen von Hospitalregeln:
Die allermeisten Hospitalregeln sind aber in Einzelarbeiten zur Geschichte vieler niederländischer und einiger französischer und deutscher Städte und ihrer alten Institutionen herausgegeben worden:
Eine Hospitalregel ist in einer kunstgeschichtlich bedeutenden illuminierten Handschrift erhalten und als Faksimile gedruckt worden:
Noch nicht ediert und nirgends gedruckt sind:
Alte Drucke mit Hospitalregeln:[x]
Urkundenbücher mit Hospitalregeln:[x]
Das Kopiar, das eine entstehungszeitnahe Abschrift der Lübecker Regel von 1263 enthält, galt erst als Kriegsverlust, war 2001 dann aber doch vorhanden, jedoch im Zentralen Staatsarchiv der DDR in Potsdam mir nicht zugänglich; 20.. war es ins Lübecker Archiv zurückgekehrt, aber noch nicht benutzbar; vielleicht kann ich jetzt von dort eine Fotografie bekommen.[x]
Er hatte in Halle studiert und dort schon nebenher an den Franckeschen Anstalten als Lehrer unterrichtet. Er war auch ein Teilnehmer am Hambacher Fest.[x]
Er war Mitglied der Kgl. Akademie und ein sehr produktiver Verfasser auf dem Gebieten der Geschichte und Literaturgeschichte, gab u.a. eine 46-bändige Geschiedenis van de gemeenten van Oost-Vlaanderen heraus.[x]
Es gibt ebenso sehr früh schon sehr lange Texte wie es auch von Anfang an schon volkssprachliche neben lateinischen Texten gibt.
Die meisten Sprachversionen hat die Johanniterregel. Cambrai S. Julien, Gent Lepr und Lübeck sind zweisprachig überliefert.
Die ältesten volkssprachlichen (mittelniederländisch) sind: Mechelen (1220.10.) und Gent Lepr (1236) - es sei denn, die afrz. Fassung der Johanniterregel wäre älter.
In manchen Texten ist bestimmt, daß die Regel in der Volkssprache vorzulesen sei: 'Desen brief / es sculdech in diedsch telesene deca/pelán uan den hus of sin uicaris' (1236 Gent Leprose mnld) — 'et ut plene singula capiant in lingua sui idiomatis e
In manchen Texten ist ausdrücklich bestimmt, daß den Neu Eintretenden oder allen Brüdern und Schwestern in bestimmten Abständen die Regel in ihrer Volks-sprache vorzulesen sei.
Viele Hospitalregeln sind ihrer Form nach Urkunden mit mehr oder weniger vollständigem Formular. Von der Vollständigkeit und Richtigkeit der Formeln einer Urkunde hing es ab, ob ihr Rechtskraft zugemessen wurde.
Etwa die Hälfte der urkundenförmigen Hospitalregeln hat ganz am Anfang oder nach der Invocatio noch zusätzlich eine Überschrift. Die gehörte nicht zum Urkundenformular, auch für die Verfasser nicht, denn sie konnte z.B. in einer Volkssprache verfaßt werden, obwohl alles Nachfolgende lateinisch war (1176 in Lüttich und 1266 in Aalst):
Der Aufbau ist im allgemeinen folgender: Nach der Anrufung Gottes (Invocatio) bietet der Aussteller allen, die dieses lesen, seinen Gruß (Salutatio), erzählt nach einer allgemeinen religiös-ethischen Erwägung (Arenga) die Vorgeschichte (N
Wenn diese Überschrift Verfasser, eventuelle Mitwirkende und Zweck des Textes nennt, konnten in etlichen Hospitalregeln die einleitenden Urkundenformeln, die sonst diese Angaben enthalten hätten, wohl auch einfach wegfallen und unmittelbar auf die Überschrift direkt die bloße Aufzählung der einzelnen Bestimmungen folgen, mit mehr oder weniger vollständigen Schlußformeln. Nannte (ab Mitte des 13. Jh.) der Verfasser sich dann auch noch statt in der Überschrift erst am Schluß, lief es bis zum 17. Jh. auf ein Schema Überschrift—Inhalt—Unterschrift(en) hinaus.
Manche von diesen Hospitalregeln ohne Urkundenformeln sind aber durchaus in Urkundenschrift auf Pergament geschrieben und besiegelt, besonders die ältesten, von denen wir glücklicherweise einige noch als Originale besitzen, was darauf hindeutet, daß es für ihre Verfasser auf die Urkundenformeln gar nicht so sehr ankam; immerhin haben sie ja auch die Invocatio am Anfang, sonst ein Spezifikum kirchlicher Urkundenaussteller, sogar noch vor der Überschrift stehen und nicht fortfallen lassen. Ich benutze für diese noch feierliche, aber nicht mehr durch das Urkundenformular gebundene, der Bekanntmachung dienende Textform die Bezeichnung Plakatformen.
Mehrere der original überlieferten Hospitalregeln sind, offenbar als Hilfe zum lauten Lesen, mit einem System von Interpunktion ausgezeichnet. Das einfachste sind nur Punkte (Abbeville, Eichstätt)
Weiter als für das ausgehende 12. Jh. gewöhnlich, haben die verschiedenen Schreiber auf der Brugger Urkunde von 1188 die Interpunktion ausgebildet: Die beiden Zeichen '.' und ':' werden konsequent zur Gliederung des Textes in Sin
In Brugge 1188 ist der Text nicht fortlaufend sondern als Liste mit 'Item.' geschrieben. Einige sind mit Kapitelüberschriften versehen (jerus afrz, Eichstätt: rot, Troyes, roma ss 1564 ), Angers (Hs. von 1490) weist sogar ein zweistufig gegliedertes Inhal
Ein Text enthält sogar eine Abschnittseinteilung zum Vorlesen an meheren Tagen. Lübeck 1263 mnd ist eingeteilt in 4 "Lectiones" (der Vorleser verstand offenbar Latein), und diese Abschnitte entsprechen nacheinander hinzugekommenen Textschichten.
Unterstreichungen, Anstreichungen von Lesern, Archivvermerke, Kollationsvermerke sind nichts Ungewöhnliches.
Bischof, Paläographie 1, 438 mit weiterer Literatur.[x]
Text | Vorlesen bei Neueintritten |
---|---|
1220 Ieper Leprose | Bei Eintritt von Leprosen in das Leprosenhaus |
1236 Gent Lepr mnld | end der/gelike der penitentien die hier te/uoren ghescreuen sin. Desen brief / es sculdech in diedsch telesene deca/pelán uan den hus of sin uicaris in / de comste éns nieus broders oue / suster béde gandses ende siecs. ende // danne mot hebben delesere |
1236 Gent Leprose | Bei Neuaufnahme und an drei Festen/Jahr |
1253 Herentals | quocies fratres et sorores recipiendi...perlegatur |
1266 Aalst | Statuimus insuper ut quotiescumque sorores vel fratres recipiendi sunt, constitutionum istarum series coram eis prelegatur, et ut plene singula capiant in lingua sui idiomatis exponantur ad plenum et hec se quantum in eis est observaturas promittant. ... |
1277 sHertogenbosch | quoties Frater vel Soror recipiendus fuerint |
1286 Geel | quoties fratres aut sorores fuerint recipiendi, .. |
1309 Barth | Item wen dar eyn nyge broder ifte suster wyl syck geven in dissen orden unde broderschop, szo schal me deme broder edder suster vorleszen laten disse vorscreven regule, unde schal em vrage, ... |
Text | Vorlesen in bestimmtem Rhythmus |
Roma S-Spirito 1316 | Regula et constitutiones tunc ei legantur (c.66) |
1250 Eichstätt | Alle wochen zeminsten ze ainem mal brvder vnd swester svlen komen in daz capitel, ... Vnd da sol man von der regelen zeminsten zwai capitel lesen. |
1263 Lübeck mnd | Desses leuendes bescrevenecheit enes in den mane(de) scal men lesen den broderen unde susteren, er se to der taflen gan. |
1263 Troyes lat | Legatur etiam verbo laycali quater in anno omnibus |
1301 Kiel | Hec regula et instituta legentur coram fratribus et sororibus semel in mense, [Satztrennung? Zeilenwechsel!] antequam ad mensam accedant [Satztrennung?] quilibet eorum pro benedictione dicat pater noster ... |
In 13 Hospitalregeln finde ich Bestimmungen darüber, daß sie in einen bestimmten Rhythmus oder beim Eintritt neuer Mitglieder in die Gemeinschaft vorgelesen werden sollen:
https://rosenwelten.de/hist/thema.php?t=69
Weitere Texte sind zum Vorlesen eingerichtet, indem Zwischenüberschriften, Interpunktion eingefügt sind:
Diente das regelmäßige Vorlesen der Verbreitung des Textes, gab es offenbar auch Bestrebungen, seine Verbreitung einzuschränken: Im Templerorden durften nur bestimmte Funktionsträger Exemplare der Regel besitzen, auch bei den Johannitern ist damit zu rechnen, daß Regelexemplare vernichtet worden sind, die man für unvollständig oder unrichtig hielt (Luttrell, Hospitallers' Statutes, S. 12)
Einige Texte, besonders solche in Urkundenform, enthalten expressis verbis ihre Entstehungszeit.
Die der anderen, darunter der Johanniterregel und der Regel des Heilig-Geist-Ordens, kann man nur aus Überlieferungsgeschichte und Inhalt erschließen. Eindeutige und sichere Ergebnisse sind dabei, soweit ich sehe, noch nicht erzielt worden. Für meine Zwecke scheint mir wichtig festzuhalten:
Nach dem Sterbejahr des Verfassers, 1160, und der päpstlichen Erlaubnis, Kleriker als Brüder aufzunehmen, 1154, (solche kommen im Text mehrmals vor) nahm AMBRAJUTÉ an, der Text wäre zwischen 1154 und 1160 entstanden. Da Papst Lucius III. 1184/1185 in der Bulle Quanto per Dei gratiam eine Regel Raymunds du Puy bestätigt und dabei eine Bestätigung durch seinen Vorgänger Eugen III. erwähnt, der 1153 gestorben ist, hatte DELAVILLE LE ROULX angenommen, er wäre vor 1153 entstanden. Von dieser Bestätigung durch Eugen ist jedoch nichts erhalten, und die Datumsrekonstruktion muß auch nicht für alle Teile des Textes zutreffen. Das Kapitel über die Krankenaufnahme scheint ja später hnzugefügt worden zu sein, endet das Kapitel davor doch mit einer Schlußformel.
Die handschriftliche Überlieferung reicht leider nicht weit genug zurück, um eine dieser Datierungsthesen zu belegen.
Diese Bulle wäre der älteste Beleg für die Johanniterregel, wenn nicht eine Abschrift erhalten geblieben wäre, die bereits am 7. Oktober 1253 der Großmeister Wilhelm von Chateauneuf mit Bleibulle aus Akkon an den Praeceptor Alemanniae gesandt hätte zusammen mit einem Begleitbrief und der Aufforderung, nur diese eine Regel zu befolgen und, wenn etwa ein Bruder eine andere gebrauche, jene durch diese zu ersetzen. Daß nur diese eine Abschrift aus der Ordenszentrale in die Gebiete jenseits des Meeres versandt worden wäre, oder warum nur diese eine erhalten geblieben ist - darüber kann man nur spekulieren.
Eine französische Fassung muß früh in Gebrauch gewesen sein, denn des Lateinischen waren wohl viele Johanniter nicht mächtig. Erhalten ist aber auch davon kein älterer Textzeuge als Cod. Vat. Lat. 4852 (nach 1280), der eine französische Übersetzung der Bulle Lucius' III. Quanto per Dei gratiam mit als Zitat eingefügter Regelübersetzung enthält. Von der in dieser Bulle erwähnten früheren Bestätigung durch Papst Eugen III., auf die sich DELAVILLES Datierungsansatz stützt, ist gar nichts erhalten, trotzdem neigt ... dazu,
Wenigstens für die Inhalte, wenn schon nicht für den Wortlaut, hat man neuerdings einen entstehungszeitnahen Textzeugen gefunden: eine anglo-normannische Versdichtung eines Unbekannten, die die Miracula des Jerusalemer Hospitals seit der Zeit König Davids über die häufigen Besuche Jesu und seiner Jünger bis zur Amtszeit Raymunds du Puy erzahlt, um dann dessen Regel samt eingeflochtenen Glossen, eigenen Erweiterungen und Kommentaren wiederzugeben und mit dem Jüngsten Gericht zu schließen. Ihr Herausgeber J. V. SINCLAIR datiert die Dichtung nach inhaltlichen und sprachlichen Gesichtspunkten auf die Jahre 1181 bis 1185, auch wenn ihre einzige Handschrift erst im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts geschrieben worden zu sein scheint. Immerhin belegt sie, daß das offensichtlich nachträglich angehängte Kapitel über die Krankenaufnahme 1181/85 bereits vorhanden gewesen ist.
Für die Johanniterregel Raymunds du Puy einschließlich der Kapitel 16-19 gehe ich daher mit LUTTRELL vorläufig von einer Entstehungszeit vor 1181/1185 aus.
Die älteste Handschrift der Heilig-Geist-Regel ist Wien, ÖNB, Cod 555, sie stammt aus dem 13. Jh. (Drossbach 351). Die Hs Borghese 242 ist davon unabhängig. Nur wenig später als diese und von vornherein als konstitutiv vorgesehen war die Prachthandschrift.(353)
Drossbach, Caritas als Rechtsinstitut und dazu Rehberg, Rez. Drossbach
1253Diese Bulle wäre der älteste Beleg für die Johanniterregel, wenn nicht eine Abschrift erhalten geblieben wäre, die bereits am 7. Oktober 1253 der Großmeister Wilhelm von Chateauneuf mit Bleibulle aus Akkon an den Praeceptor Alemanniae gesandt hätte zusammen mit einem Begleitbrief und der Aufforderung, nur diese eine Regel zu befolgen und, wenn etwa ein Bruder eine andere gebrauche, jene durch diese zu ersetzen. Daß nur diese eine Abschrift aus der Ordenszentrale in die Gebiete jenseits des Meeres versandt worden wäre, oder warum nur diese eine erhalten geblieben ist - darüber kann man nur spekulieren.
Eine französische Fassung muß früh in Gebrauch gewesen sein, denn des Lateinischen waren wohl viele Johanniter nicht mächtig. Erhalten ist aber auch davon kein älterer Textzeuge als Cod. Vat. Lat. 4852 (nach 1280), der eine französische Übersetzung der Bulle Lucius' III. Quanto per Dei gratiam mit als Zitat eingefügter Regelübersetzung enthält. Von der in dieser Bulle erwähnten früheren Bestätigung durch Papst Eugen III., auf die sich DELAVILLES Datierungsansatz stützt, ist gar nichts erhalten, trotzdem neigt ... dazu,
Wenigstens für die Inhalte, wenn schon nicht für den Wortlaut, hat man neuerdings einen entstehungszeitnahen Textzeugen gefunden: eine anglo-normannische Versdichtung eines Unbekannten, die die Miracula des Jerusalemer Hospitals seit der Zeit König Davids über die häufigen Besuche Jesu und seiner Jünger bis zur Amtszeit Raymunds du Puy erzahlt, um dann dessen Regel samt eingeflochtenen Glossen, eigenen Erweiterungen und Kommentaren wiederzugeben und mit dem Jüngsten Gericht zu schließen. Ihr Herausgeber J. V. SINCLAIR datiert die Dichtung nach inhaltlichen und sprachlichen Gesichtspunkten auf die Jahre 1181 bis 1185, auch wenn ihre einzige Handschrift erst im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts geschrieben worden zu sein scheint. Immerhin belegt sie, daß das offensichtlich nachträglich angehängte Kapitel über die Krankenaufnahme 1181/85 bereits vorhanden gewesen ist.
Die älteste Handschrift der Heilig-Geist-Regel ist Wien, ÖNB, Cod 555, sie stammt aus dem 13. Jh. (Drossbach 351). Die Hs Borghese 242 ist davon unabhängig. Nur wenig später als diese und von vornherein als konstitutiv vorgesehen war die Prachthandschrift.(353
Zur Johanniterregel siehe Luttrell, Hospitallers' Statutes (2003), und zur Heilig-Geist-Regel Drossbach, Caritas als Rechtsinstitut (2002) und dazu Rehberg, Rez. Drossbach (2006).[x]
Ambraziejuté, Johanniter-Regel, S. 5 nach Delaville le Roulx, Statuts, S. 349.[x]
Aarau, Staatsarchiv des Kantons Aargau, Johanniter-Kommende Leuggern, Nr. 7[x]
Jerusalem, Johanniter St. Johannes Baptista, The Hospitallers' Riwle, 1154.10.21. Siehe Luttrell, Hospitallers' Statutes, S. 14.[x]
Der Codex Vat. lat. 4852 ist betitelt: Regulae Hospitalis S. Joannis Hierosolymitani in Lingua Gallica" und enthält vorn f. 1-18 eine französische Übersetzung der Bulle Quanto per gratiam Dei von Papst Lucius III. vom 22. August 1185, die die Regel Raymunds zitiert und bestätigt, und anschließend Statuten Joberts, Roger de Molins, Alfons' von Portugal u.a. (Lagleder, Ordensregel (1983), S. 44). Von der Bulle Lucius' III. gibt es laut Regesta Imperii 4,4,4,2 noch weitere Fassungen: Nr. 1315 datiert vom 4.12.84, Nr 1316 vom 5.12.1184.[x]
Das zeigt Lagleder sehr übersichtlich mit einer Synopse, S. 129-187.[x]
Die Initiative zur Ausstellung einer Urkunde ging in der Regel von demjenigen aus, der für einen Besitztitel Sicherheit haben wollte (Empfänger). Er bat dann einen, dessen gesellschaftliche Stellung solche Sicherheit wahrscheinlich würde bieten können (Aussteller), um die Ausstellung einer Urkunde, mit einem ganz bestimmten Text. Statt des Empfängers oder zusätzlich zu ihm konnte eventuell noch eine dritte, dem Empfänger nahestehende Partei um die Ausstellung der Urkunde nachsuchen (Petent). Wenn Empfänger und Aussteller sich des Einverständnisses weiterer im fraglichen Bereich einflußreicher Personen mit dem Urkundeninhalt versichern wollten, konnten sie diese als ihre Ratgeber ausgeben.
SELECT personenverzeichnis.person_name, beziehung, text_name, arenga FROM personenverzeichnis INNER JOIN (textverzeichnis INNER JOIN texteundpersonen ON textverzeichnis.text_nr = texteundpersonen.text_nr) ON personenverzeichnis.person_nr = texteundpersonen.person_nr WHERE arenga > '' ORDER BY person_name, text_name;
Aussteller und "Ratgeber": Das waren Diözesanbischöfe (allen voran die von Cambrai und Tournai), Schöffen (von Brügge, von Gent), "Verständige Männer"
Adressaten: Als Adressaten nennen die Texte häufig die betroffene Gemeinschaft bzw. als deren Repräsentant den Meister oder die Meisterin.
Daß die Adressaten selbst den Text beigebracht hätten und um Bestätigung gebeten erwähnen viele Hospitalregeln, zum Beispiel Lüb.dt.: Montdidier Amiens
Dit is de orde vnde leuent der brodere vnde sustere, de se holden scolen in deme hus to lubeke des hilligen geistes, also se utgegeuen sint van wisen papen vnde leyen na eren egenen couentes begheringhe vnde bede.
Nicht weniger häufig wird die Allgemeinheit als Adressat genannt. Ihr soll durch die Urkunde verkündet werden, welche Lebensregel in dem Hospital N. gilt.
Manchmal ist auch der Petent der Adressat.
Petenten: Das konnten die betroffene Gemeinschaft oder der Stifter sein.
Urkunden wurden zur Sicherung eines Besitzes ausgestellt, Hospitalregeln speziell, um die Lebensweise einer Gemeinschaft abzusichern. Eine solche Absicherung wurde für nötig erachtet gegen Veränderungen,
- die von künftigen veränderten Einstellungen der Mitglieder dieser Gemeinschaft selbst ausgehen könnten (intern),
- oder von Institutionen, die etwa, indem sie der Gemeinschaft eine neue Lebensweise vorschrieben, ihre Vorherrschaft würden oktroyieren können (extern).
Die Niederschrift einer Regel dürfte immer einen bestimmten Anlaß gehabt haben: vielleicht ein Konflikt, ein Bedürfnis nach Gewißheit, der Versuch, eine als unbefriedigend empfundene Wirklichkeit zu verändern?
Die Päpste waren aus Prinzip abgeneigt, 'neue' Regeln zu geben: Bei den Bettelorden gab es etwas später deswegen erhebliche Auseinandersetzungen. Gemeinschaften ohne Regel waren aber eo ipso häresieverdächtig
TODO: Warum gibt es nur von diesen und nicht von allen existiert habenden Hospitälern eine Regel?
extern: Aus einigen Texten geht hervor, daß sie aus bestimmten Anlässen bei einer kirchlichen oder weltlichen Autorität vorgelegt worden sind, um alte Rechte bestätigt zu bekommen.
Mechelen: 2 Hände?; gerade an den 3 Gelübden Veränderungen! Eichstätt: Rubrikator nimmt Streichungen und Einschübe über der Zeile vor Riga: Änderungen von derselben Hand
Ihr Textaufbau läßt oft ahnen, daß sie nicht in einem Zuge verfaßt sondern im Laufe der Zeit ergänzt und verändert wurden.
ALBERDINGK-THIJM hat das treffend charakterisiert:
Man darf sich nicht darüber wundern, daß in diesem Spitale (gleich in mehreren anderen) die Statuten Jahrzehnte jünger sind als die Stiftung selbst. Derartige Actenstücke gingen leicht verloren, sobald sie keinen aiusdrücklich offiziellen Charakter hatten. Es geschah aber auch, daß die Statuten, allmählich nach ent-sprechendem Bedürfnis gegeben, kein zusammenhängendes Ganzes bildeten. Wir besitzen sogar Statuten aus dem dreizehnten Jahrhun-dert, die gerade so aussehen, als wären sie nicht auf einmal, sondern in kleinen Bruchstücken entworfen und aufgeschrieben worden, ungefähr wie einige Kapitularien Karls des Großen.
Lübeck: Teile geschwärzt
Alberdingk-Thijm, Geschichte der Wohltätigkeitsans, S. 43 bezüglich des Hospitals S. Pierre zu Louvain/Leuven, zu dessen Regel er allerdings nichts näheres angibt.[x]
An der ältesten Brügger Urkunde (BRG) scheinen mehrere Hände geschrieben zu haben. Daher soll mithilfe eines Schriftvergleichs versucht werden, den Text von BRG in verschiedene Textstufen zu zerlegen, die jedenfalls nicht genau gleichzeitig geschrieben worden sein können, um von da aus später die allmähliche Zusammensetzung des Textes aus verschiedenen Stücken untersuchen zu können.
Hospitalregeln, die nicht nur auf Originalurkunden überliefert sind, sondern deren Original auch noch die allmähliche Entstehung des Textes aus Grundbestand, Einfügungen, Nachträgen, Änderungen veranschaulicht, sind äußerst selten. — Allerdings ist im Falle der ältesten Hospitalregel von Brügge in der bisherigen Forschung auch noch keine systematische Untersuchung des mit den verschiedenen Schreiberhänden angedeuteten Entstehungsprozesses vorgelegt worden. In meiner Magisterarbeit habe ich die Hände BRGa bis BRGf anhand charakteristischer Buchstabenformen folgendermaßen unterschieden:
Der Herausgeber Gilliodts-van Severen, Règlement bringt diese Passagen als Fußnoten und kennzeichnet sie als Ajouté à la suite:… Vansteenkiste, Hospitaalstatuten in seiner Beschreibung der Urkunde, S. 116: Verschillende handen hebben die tekst aangevuld.. Maréchal, Brugge geht darauf nicht selbst ein, erwähnt nur S. 95 Anm. 33, daß Himpens, S.-Janshospitaal Brugge, S. 33, BRGb als von einer anderen Hand geschrieben ansieht.
Der größte Teil des Textes der Brügger Hospitalregel ist in einer einheitlichen Schrift geschrieben. Der Schreiber dieses Textanteils muß als erster an der Urkunde gearbeitet haben, weil von seiner Hand die Invokation in der ersten Zeile herrührt. Auch die Datumszeile am Schluß gehört aber zu seinem Anteil. Von VII. ab hat er jedes neue Kapitel, dessen Anfang durch das Wort "Item" gekennzeichnet wird, auf einer neuen Zeile anfangen lassen. Ab XVII,1 beginnen fast alle neuen Kapitel mit der Formulierung "Item. Siquis"; und das darin vorkommende "S" kann sozusagen als ein Leitbuchstabe für diese Hand bezeichnet werden. Es kommt weder in einem der von anderen Händen geschriebenen Textanteile auf BRG noch in BRG2 vor. BRGa bildet es aus zwei ineinander gehängten "C".
Der Schreiber, der den frühesten und umfangreichsten Teil des Textes von BRG geschrieben hatte, BRGa, hat ab XII nicht nur mit jedem Kapitel eine neue Zeile angefangen, sondern auch Leerzeilen davor übriggelassen, nämlich vor XII 2½ Leerzeilen, vor XIII, XIV, XVII je 2 Leerzeilen; vor XVIII, XIX,1, XXI je 1 Leerzeile, ausnahmsweise keine vor XXIII und XXV (hier schien ihm der Platz für seinen Text vielleicht knapper zu werden als vorher kalkuliert, er begann jedoch weiterhin jedes Kapitel auf einer neuen Zeile); nach XXV,3 etwas über 1 Zeile und nach XXVIII etwas über 3 Leerzeilen.
Das große "S" von BRGa:
Die beiden Zeilen zwischen XV und XVII rechne ich als von BRGa leer gelassen, auch wenn sie jetzt nicht mehr leer stehen: Die Schrift, mit der diese beiden Zeilen gefüllt sind, unterscheidet sich bei mehreren charakteristischen Buchstaben von derjenigen des frühesten Schreibers.
Item Quia melior est obedientia quam victime omnes ad obedientiam magistro suo tenentur Quod siquis fratrum vel sororum contra ipsius preceptum vel alicuius cui vices suas commisit causa peregrinandi vel alio modo voluntatem propriam faciendi iam dictam domum exierit introitum in eandem de cetero non habebit nisi digne penituerit et bonos intercessores habuerit
An dieser Stelle erhält das "d" eine Oberlänge, die von links schräg herabfällt. BRGa hatte dagegen den Schaft des "d" auf der Mittellinie über dem linken Rand des Bäuchleins angesetzt und ihn zunächst der Mittellinie waagrecht nach rechts folgen lassen, bevor er in die Senkrechte abfällt; oder, in einigen seltenen Fällen, hatte er einen ganz senkrechten Schaft durch Ober- und Mittellängen hindurchgezogen.
Der Bauch des "a" ist in XVI, ganz im Gegensatz zum Gegenstück an den von BRGa geschriebenen Stellen, so ausgedehnt, daß das Dach, das von links her umgebogene obere Schaftende nicht mehr zu erkennen ist.
Der frühere Schreiber hatte den oberen Schenkel der tironischen Note für "et" ebenso wie das generelle Kürzungszeichen für "m", "n" usw. als zweibogige Wellenlinie geformt. Z 84-91 dagegen ist davon nur ein Bogen übriggeblieben, der nach unten durchhängt.
Auch hat in diesen Zeilen das "g" seinen kräftig nach rechts ausgreifenden Unterschwung, den Schuh, zum Teil verloren, den es bei BRGa deutlich aufweist.
Ähnlich hatte das "x" einen kräftigen waagrechten Vorstrich am linken unteren Ast besessen, der den ganzen vorausgehenden Buchstaben unterstreicht. Z. 84-91 wird stattdessen der linke untere Ast des "x" in seiner eigenen schrägen Richtung bis weit unter die Zeile weitergeführt.
Eine andere Eigenart der Schrift in diesen beiden Zeilen ist die Abkürzung der Konjunktion "vel" durch bloßes "l¯", während überall sonst in dieser Urkunde und in BRG2 "ul¯" als Abkürzung für dieses Wörtchen verwendet wird.
Das kleine "d" von BRGb und das von BRGa:
Das kleine "a" von BRGb und das von BRGa:
Das Kürzungszeichen "-" von BRGb und die von BRGa:
Das kleine "g" von BRGb und das von BRGa:
Das kleine "x" von BRGb und das von BRGa:
Die Abkürzung für "vel" von BRGb und die von BRGa:
Der Text von Z. 139 bis 143 (XX) nimmt auf dem Original genau eine Zeile ein. Nach der Raumeinteilungsgewohnheit des ersten Schreibers wäre hier wieder eine Leerzeile zu erwarten gewesen, und es läßt sich auch zeigen, daß diese Zeile nachträglich von einer anderen Hand geschrieben wurde. Hier ist die Feder überhaupt flacher angesetzt als im übrigen Text auf BRG. Das zeigt sich an den sehr flach der Linie anliegenden Fußstrichlein der auf der Grundlinie stehenden Schäfte. Die Buchstaben scheinen in dieser Zeile mehr als in den anderen aus rechten Winkeln zusammengesetzt zu sein.
Item. Siquis qui non est frater vel soror domus fratrem vel sororem turpiter percusserit et super hoc comprobatus fuerit: sine spe revertendi foras expelletur. pro turpi autem eloquio .xl. diebus expelletur.
Beim "d" ragt der Schaft nicht nur, wie bei BRGb im Gegensatz zu BRGa, über die Mittellinie nach oben hinaus, sondern er überragt sogar alle anderen Oberlängen und endet oben mit einer kräftigen Rechtskurve.
Der linke untere Ast des "x" beginnt ebenfalls als Kurve, nach oben offen und den vorangehenden Buchstaben unterfangend.
In der Verbindung mit "o" berührt "r", die Form des Majuskel-R im Rahmen der Mittellänge nachahmend, das "o" in der Mitte der rechten Bauchseite. Überall sonst ist die obere Hälfte dieses "R" bis auf die Grundlinie herab gezogen, so daß der "Abstrich" sich zu einem flachen oder gar wieder ansteigenden Strich verändern muß.
Das "a" hat an dieser Stelle ein großes, von links herübergebogenes Dach, mit voller Federbreite betont (vgl. flacher Federansatzwinkel).
Das kleine "d" von BRGc
Das kleine x (Zahlzeichen für 10) von BRGc
Die "or"-Ligatur von BRGc
Das kleine "a" von BRGc
Hanc penitentiam sustinebit. siquis in eadem domo percussor inventus fuerit. et ad hec vir coram viris. mulier coram mulieribus graviter verberabitur.
Von Z. 165 bis Z. 168 (XXIV) findet man wieder übermäßige Oberlängen am "d", doch sind es hier nie, wie bei BRGa, BRGb, BRGc, nach links oder rechts weisende, vielmehr erheben sie sich aus der Schrägen in die Senkrechte und lassen dabei alle übrigen Oberlängen weit unter sich zurück.
Obwohl auch die anderen Oberlängen an dieser Stelle die Mittellängen stärker als sonst überragen.
Ein anderer charakteristischer Buchstabe für diese Stelle ist "g", dessen Schuh zwar nach oben offen ist wie bei BRGb, aber mit viel mehr Schwung als dort nach links ausgreift.
Das kleine "a" ähnelt jedoch sehr dem des frühesten Textanteils, BRGa.
Das Stück von Z 165 bis 168 ist offenbar nicht wie die beiden vorher besprochenen Nachträge als ein ganz neues Kapitel aufgefaßt worden: Es beginnt nicht mit "Item ...", und es beginnt nicht in einer neuen Zeile - letzteres freilich wäre an dieser Stelle auch gar nicht möglich gewesen, denn zwischen XXIII,2 und XXV hatte BRGa ausnahmsweise keine Leerzeile übriggelassen. Die letzte Zeile von XXIII,2 war jedoch kaum gefüllt und bot gerade genügend Platz für den Nachtrag XXIV.
Auch die beiden nächsten Nachträge auf BRG, BRGe und BRGf, beginnen direkt im Anschluß an den Schluß eines von BRGa eingetragenen Satzes, also nicht wie eigene Kapitel vorn in einer neuen Zeile, wozu doch die Möglichkeit bestanden hätte. Für diese drei Stücke BRGd, BRGf und BRGe beweist sich damit auch noch auf diese Weise, daß sie jünger sind als das, was an den Anfang der fraglichen Zeilen geschrieben worden war und der einheitlichen Hand angehört, die ich BRGa genannt habe.
Das kleine "d" von BRGd
Das kleine "g" von BRGd
Das kleine "a" von BRGd
Von Z 183 bis Z 185 (XXVI) wird die Endung "-bus" durch b und die -us-Kürung bezeichnet und nicht wie sonst im ganzen übrigen Text, doch ausgenommen auch XXIX - siehe unten, durch "b;".
vel infantem genuerit. expelletur. non rediturus nisi penitentia sua mediante et precibus talium virorum quibus deferri oporteat misericordiam consecutus fuerit.
Dem "a" mangelt bei BRGe wie BRGb das Dach, doch ist im Gegensatz zu BRGb hier das obere Ende des Schaftes noch zu sehen. Es biegt nicht von links um sondern steht ganz gerade.
Das untere Schaftende beim "s" endet hier und bei BRGf konsequent auf der Grundlinie und läuft in einen kleinen Bogen nach rechts hin aus; der Anfang einer für die nächste Epoche der Schriftgeschichte typischen Erscheinung: Gleichbehandlung der senkrechten Schäfte aller Buchstaben.
Dieser Nachtrag beginnt nicht nur nicht in einer neuen Zeile, es ist nicht einmal ein neuer Satz. Was zuvor von BRGa geschrieben worden war, hatte mit einem Doppelpunkt geendet und war auch vom Inhalt her auf eine Vervollständigung angelegt gewesen - ein weiterer Anhaltspunkt für die spätere Untersuchung der Entstehungsgeschichte des Textes.
Das kleine "a" von BRGe
Das kleine "s" von BRGe
Der Übergang von BRGa zu BRGe an dem Doppelpunkt
Ganz genauso wie der Nachtrag BRGe verhält sich das zu BRGa, was in Z. 192 bis 195 folgt (XXIX); der letzte Satz von BRGa war unvollendet gewesen und hatte mit Doppelpunkt geschlossen, direkt anschließend ist die Vervollständigung in anderer Schrift eingetragen worden, auch wenne s hier möglich gewesen wäre, in einer neuen Zeile zu beginnen, wenn man ein neues Kapitel hätte markieren wollen.
si in filiorum procreacione defecerint et numquam de cetero se simul dormituros coram fratribus et sororibus votum fecerint. si sepe dicte domui necessarii fuerint inventi: more dissolutorum recipi possunt.
Hier gleichen zwar das "d" und das "a" einigermaßen demjenigen von BRGb (womit zugleich ein unterscheidendes Merkmal gegenüber dem unmittelbar zuvor davor stehenden Text BRGa genannt ist).
Aber die "-bus"-Kürzung ist hier wie im vorigen Nachtrag BRGe und damit ganz anders als bei BRGa–BRGf konstruiert.
Auch erhalten die "s" am Fuß des Schaftes feine Abstriche — ähnlich wie bei BRGe, aber doch nicht gleich, vielmehr gleichmäßiger und winkliger angesetzt.
Singulär an dieser Stelle ist das "r", denn dessen rechter Haken ist weit vom Schaft nach rechts abgedriftet.
Eigenartig ist auch das Zeichen, mit dem hier die Präposition und das Präfix "pro-" gekürzt wird: Der Rechtsbogen, den BRGa und, etwas anders, BRGc, links unten an den Langschaft des "p" angehängt hatten, ist hier mit dem Linksbogen auf der anderen Seite zu einer durchgehenden Schlangenlinie zusammengezogen worden.
Das kleine "d" und das kleine "a" von BRGf
Die "-bus"-Kürzung von BRGf
Das kleine "s" von BRGf
Das kleine "r" von BRGf
Die "pro-"-Kürzung von BRGf
Noch eine weitere Hand, die hier an das von BRGf Geschriebene anschließt (also nach diesem und erst recht nach BRGa am Werk gewesen sein muß) macht sich außerdem an zahlreichen Stellen in der ganzen Urkunde beerkbar. Sie hat sich nie an die vom ersten Schreiber festgelegten Zeilen gehalten, oft auch älteren Text über der Zeile korrigiert. Sie hat auch it einer dünneren Feder als alle bisher genannten geschrieben, und es gibt kaum Unterschied zwischen Haar- und Schattenstrichen. Von Abkürzungen macht diese Hand reichlichen Gebrauch. Im ganzen ist sie als Gebrauchsschrift zu bezeichnen im Unterschied zu den Urkundenschriften BRGa–BRGf. Da BRGa und BRGf für ihre Korrekturen und Anfügungen bereits vorhanden gewesen sein mußten, handelt es sich ohne Zweifel um eine nachträgliche Bearbeitung.
Von längeren Textpassagen sind in dieser Schrift geschrieben:
Die Buchstabenformen dieser kursiven Schrift sind selbstverständlich nicht mit denen der anderen Schriften auf BRG vergleichbaraber einige merkwürdige Einzelformen sollen nicht unerwähnt bleiben:
Gilliodts-van Severen, Règlement kennzeichnet diese Interlinearkorrekturen als Anmerkungen mit Mots rayés et surchargés de:, En interligne:,
Die Vervollständigung, die BRGe (XXVI) an BRGa (XXV,3) angeschlossen hatte, ist auf dem Rest der Zeile noch einmal erweitert worden: Z 187f. (XXVII). Die Schrift ist wie die von BRGg eine Kursive, und zumal diese Stelle heute nur noch undeutlich zu lesen ist, sollte man kaum viel dagegen argumentieren, daß es sich um einen weiteren Nachtrag von BRGg handelt. Doch hat diese Schrift eine andere Richtung als BRGg: Die langen Schäfte von "b", "s", "f" und "g" sind nicht nur besonders lang, sie neigen sich auch deutlich nach links. Auch sind die Schäfte kaum gerade, vielmehr s-förmig durchgebogen. Mit stillschweigendem Fragezeichen will ich deswegen doch für diesen Nachtrag eine besondere Bezeichnung, BRGh, beibehalten.
Ein einziges Mal in der Urkunde BRG ist der in Urkundenschrift geschriebene Text durch eine Interlinearkorrektur in ebenderselben Schriftsorte verändert: Z. 74 steht über der Zeile "excepto magistro". Die Buchstabenmenge ist natürlich viel zu gering, um die Schrift einer bestimmten Hand zuschreiben zu können. Doch ist auf jeden Fall das "x" ganz anders als bei BRGa und BRGc, am ehesten noch ähnlich wie bei BRGb
An der Fertigstellung dieser Urkunde BRG sind also bis zu 9 Hände beteilgt gewesen, mindestens 7. Die zum Teil wenig umfangreichen Nachträge geben kaum Deckung dafü+r zu behaupten, es habe sich um so viele verschiedene Schreiber gehandelt. Was für die Geschichte des Textes wesentlicher ist, wird aber doch klar: daß er nicht in einem Zuge, sondern zu neun verschiedenen Zeitpunkten nacheinander zusammengebracht worden ist. Die charakteristischsten Buchstabenformen zeige ich in der rechten Spalte. In der Strichstärke unterscheiden sich jedenfalls BRGg und BRGh vom Rest des Textes; im Schriftwinkel BRGc vom Rest. Über verschiedene Tintenfarben kann ich aufgrund der mir vorliegenden Fotografie und -kopie nur Vermutungen anstellen, das die Urkunde besitzende Archiv war jedoch so freundlich, anhand des Originals die oben dargelegten Unterscheidungen verschiedener Hände zu überprüfen und zu bestätigen, daß jedenfalls alle diese Textstücke Nachträge gegnüber BRGa sind.
Brief von Herrn H. Lobelle, Openbaar Centrum voor Maatschappelijk Welzijn - Musea, St.-Janshospitaal, Brugge, vom 2.8.1984
Ein paläographischer Befund, der über den Rahmen des Schriftvergleichs hinausgeht, aber für die Rekonstruktion der Geschichte des Textes von nicht geringerer Bedeutung ist: Der Text von BRGa ist an verschiedenen Stellen mittels Durchstreichen getilgt. An einigen dieser Stellen (Z. 17, 50, 98, 110, 130) ist das Durchstrichene durch darüber geschriebene Wörter von BRGg ersetzt worden. An anderen Stellen (Z. 49-57, 144f.) lassen die Tilgungen unabgeschlossene Satzbruchstücke zurück.
An den beiden letzgenannten Stellen findet man besondere Zeichen unter oder in der Zeile. Auch sonst kommen gelegentlich derartige Zeichen vor. Es handelt sich um schräge oder liegende Striche mit darangesetzten Punkten – Verweiszeichen. Ähnliche Striche, jedoch ohne Punkte, sind an den Stellen in den Text hineingezogen, wo die überschriebenen Zusätze von BRGg eingefügt werden sollen.
Alle diese Tilgungen und redaktionellen Zeichen scheinen mit einer Feder von der Stärke ausgeführt worden zu sein wie die von BRGg benutzte, ohne daß das an sich schon für irgendeine Zuweisung srechen könnte.
Eine einzige Korrektur ist durch Unterpungieren vorgenommen: Z. 83. Die unkte scheinen eher mit einer breiteren Feder, ähnlich der für die Urkundenschriften auf B benutzten, gemacht zu sein. Das getilgte Wort ist auch nicht durch eine Einfügung von BRGg ersetzt, es war auch für das Verständnis des Sinns eher überflüssig, so daß man gut annehmen kann, daß sich hier BRGa selbst korrigiert hat.
Für die spätere Untersuchung der Geschichte des Textes wird es aufschlußreich, die Tilgungen und Verweiszeichen auf BRG mit dem Text der undatierten Brügger Urkunde BRG2 zu vergleichen. BRG2 fügt an all den Stellen, an denen in BRG ein Verweiszeichen ohne Bezug zu einer Interlinearkorrektur von BRGg vorkomm, einen eigenen Zusatz in den Text ein: am Ende von II, V, XXIV, oder ersetzt die Formulierung in BRG durch eine eigene: X (Z. 49-57), XXI (Z. 145). Daneben hat BRG2 weitere Zufügungen am Schluß.
Es fällt aber sehr schwer, die Schrift von BRG2 einer der an BRG beteiligten Hände zuzuweisen. (Am ehesten müßte man an BRGg denken, dessen überr den ganzen Text verstreute Einfpgungen mit Verweiszeichen einen ähnlichen Eindruck von Gesamtüberarbeitung hervorrufen, wie man sie sich , auf den ersten Blick, als Motiv einer Abschrift wie BRG2 denkt.) Denn BRG2 ist im Gegensatz zu BRG in einer Buchschrift geschrieben, wo allein wegen des anderen Schriftcharakters andere Buchstabenformen vorkommen, so daß man von diesen nicht auf verschiedene Hände schließen kann.
Soviel muß immerhin gesagt werden:
Weiteres erklärt sich wahrscheinlich einfach aus dem Buchschrift-Charakter von BRG2, so zum Beispiel der Ansatz des "R" in der "-or-"-Ligatur mitten am Bauch des "o", der bei flacherem Federansatz einfach naheliegt. Oder der konsequente Gebrauch der "et"-Ligatur anstelle des tironischen Kürzungszeichens für "et". Oder die Verwendung eines Sensenblattes statt der aufwärtsschwingenden Wellenlinie von BRGa als Kürzungszeichen für "m", "n" und Kontraktionskürzungen. Umgekehrt wird man die charakteristischen Buchstabenformen von BRGg ("r", "s", "e", "g" und "pro-") als speziell kursive Formen nicht in Buchschriftformen übersetzen können, so daß ein Vergleich mit BRG2 möglich wäre.
Im ganzen wirkt die Schrift auf BRG2, BRGa gegenübergehalten, viel gleichmäßiger. Die Buchstabenformen nähern sich vom Hochkantrechteck (BRG) dem Quadrat. Das Quadratformat des Schriftspiegels hinzugenommen, ergibt das einen beinahe plakatmäßigen Eindruck.
Verschiedentlich sind für das Ende des 12. Jahrhunderts mooderne Züge in die Schrift von BRG2 eingegangen: Gelegentlich werden die mittellangen Schäfte "gebrochen", meist die ersten in Buchstaben wie "u", "n", "m", und die in BRG noch zarten Fußstrichlein an den Schäften wachsen zu kräftigen Winkel- oder Bogenansätzen heran, die einen Schaft an den anderen anbinden. Die Oberlängen von "l", "b", "d", "h", zuweilen auch die Schäfte vin "i", "u", "p", werden "spachtelförmig" erweitert; die Unterlängen von "p", "q" bekommen Abstriche wie mittellange Schäfte. — Doch ist das nicht genug, um die Urkunde nach der Schrift wesentlich später als BRG (also 1188) zu datieren, etwa auf die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, wie es G. MARÉCHAL ohne weiteres tut. Kommen doch hier und da auch in dem von BRGa geschriebenen Text gebrochene Schäfte, spachtelförmige Oberlängen, gleichorganisierte Unterlängen u. dgl. vor.
So reich, wie manche Hospitalregel-Handschriften mit Bildern, aber auch zusätzlichen Texten wie Gebeten, meditativen Texten, angereichert sind, scheint es wahrscheinlich, daß sie nicht nur zum Vorlesen und Zuhören, sondern auch zum Be-trachten gemacht wa
Buchschrift Brugge B2, Gent Lepr?, München Bücher (fließender Übergang: Mappe: Aalst, Cambrai S. Julien, Eichstätt: Pergament in Mappe aus Saffian): Mechelen, Rom,(Illumination - begleitende Texte)))
Überliefert sind von Päpsten später zahllose Bestätigungen der Augustinerregel für Hospitäler, bsd. deutsche, das hat REICKE so verstanden, als hätten die Hospitalkonvente nach dieser Augustinerregel gelebt.
1214-15 schrieben französische Provinzialkonzile, abgehalten zur Vorbereitung des Laterankonzils, Hospitalgemeinschaften vor, beim Eintritt drei Gelübde abzulegen, d.h. sich zu einem mönchsähnlichen Leben zu verpflichten. Dies dringt in der Folgezeit auch in Texte ein, die es zuvor nicht gekannt hatten (Brugge).
Trotzdem gab es keine Einheitlichkeit der von den Bischöfen erlassenen Regeln.
Es handelt sich bei den mittelalterlichen Hospitalregeln also um ein Korpus von Texten, das konstituiert ist durch
Sie sind aber trotz des Regulierungsbedürfnisses der kirchlichen Hierarchie durchaus nicht einheitlich in:
Reicke, Spital, ...[x]
De domibus leprosorum et hospitalibus infirmorum et peregrinorum salubri consilio statuimus ut, si facultates loci patiantur quod ibidem manentes possint vivere de communi, competens ei regula statuatur, cujus substantia in tribus articulis maxime continetur, scilicet ut proprio renuntient, continentiae votum emittant, et praelato suo oboedientiam fidelem et devotam promittant, et habitu religioso, non saeculari, utantur.Cum autem pauci sani possint multis infirmis competentius ministrare, illud omnino indignum est ut numerus sanorum ibidem manentium excedat numerum infirmorum aut peregrinorum. Bona etenim ibidem ex devotione fidelium collata non sunt sanorum usibus deputata, sed potius infirmorum. Nec etiam est id sub silentio praetereundum quod quidam sani viri et mulieres, et matrimonii vinculo copulati, quandoque transferunt se ad tales domos, ut sub obtentu religionis possint jurisdictionem et potestatem eludere saecularium dominorum, qui tamen, in domo religionis manentes, non minus immo magis saeculariter et delicate vivunt et operibus carnis vacant, quam antea vacare consueverant. Unde statuimus ut in habitu religionis religiose vivant, vel de domibus ejiciantur; ita tamen quod bona domui collata secum non asportent, ne de fraude sua commodum reportare videantur.
[x]
Um Ansatzpunkte für Verwandtschaftsuntersuchungen zu finden, gruppiere ich nun die Texte automatisiert-quantitativ nach Ähnlichkeit ihres Wortlauts. Dabei muß ich mich auf eine einzige Sprache beschränken, die meist verwendete ist Lateinisch.
KARL LACHMANN (1793-1851) hat zuerst eine Methode in das Herausgeben alter Texte eingeführt. Wer vor LACHMANN einen alten Text neu herausgeben wollte, hatte die bis dahin allgemein gebräuchliche Version, die sogenannte "vulgata", an etlichen Stellen nach seiner eigenen sprach und literaturgeschichtlichen Einsicht in die Intentionen des Verfassers verbessert, dabei gelegentlich - aber nicht grundsätzlich - auf Handschriften zurückgreifend. LACHMANN verlangte, den Urtext (Archetypus) ausschließlich aus den überlieferten Handschriften zu rekonstruieren und dazu das System von Abhängigkeitsverhältnissen zwischen den Handschriften und dem Urtext (Archetypus) aufzuklären. Das Ergebnis dieses durch LACHMANN in die Editionspraxis eingeführten Arbeitsschrittes, der "Recensio", steht seither in jeder wissenschaftlichen Textausgabe vor dem eigentlichen Text. Bei den Schülern LACHMANNs wurde es üblich, es zusätzlich in der Form eines Stammbaums (Stemma) graphisch darzustellen.
LACHMANN war Zeitgenosse sowohl der Begründer der Indogermanistik als auch der ersten Erforscher der Stammesgeschichte des Pflanzen- und des Tierreichs. Sie lebten um die Mitte des 19. Jahrhunderts und waren alle Romantiker, insofern sie sich dem Vergangenen widmeten, das Verlorene ins Leben zurückholen wollten - zugleich aber auch Wissenschafts-Optimisten, indem sie nicht an der Möglichkeit zweifelten, mittels der richtigen Methode das "Unerreichbare" finden zu können.
Während also Franz BOPP (1791-1867) die Stammverwandtschaft der indogermanischen Sprachen bewies, und andere daraufhin die postulierte UrSprache "Indogermanisch" aus ihren Tochtersprachen zu rekonstruieren begannen, - während Ernst Heinrich HAECKEL (1834-1919) die Ideen Charles DARWINS (1809-1882) über die Evolution der Lebewesen von den Einzellern bis zu uns Menschen mittels einprägsamer Stammbaumzeichnungen weit bekannt machte - verglich Karl LACHMANN mittelalterliche Handschriften klassischer Texte, um daraus die Urtexte des griechischen Neuen Testaments (1831. 1842), des Lukrez (1850), des Nibelungenliedes (1826 … 1851), der Gedichte Walthers von der Vogelweide (1827) und vieler anderer Werke der Antike und des Mitelalters zu rekonstruieren.
LACHMANN gab diese Texte in einer neuen Form heraus, die zusätzlich zu dem rekonstruierten Urtext in einem Fußnotenapparat zu jeder Stelle diejenigen Lesarten aus den Handschriften bietet, auf denen seine Rekonstruktionsentscheidungen beruhen, sodaß sie für den Benutzer nachprüfbar bleiben, außerdem ein Vorwort, worin ausführlich begründet wird, wie die einzelnen Handschriften als Zeugen des Urtextes eingeschätzt werden und warum. Dazu ist es nötig, das gesamte System von Abhängigkeiten unter den Handschriften zu kennen, und als Darstellungsform für dieses System bürgerte sich bei LACHMANNs Schülern die Stammbaumzeichnung ein. So kam es, daß die Philologen etwa gleichzeitig mit den Biologen und den Sprachwissenschaftlern anfingen, "Stemmatologie" zu treiben. Der Vorzug der aufwendigeren wissenschaftlichen Textausgaben gegenüber den herkömmlichen stieß bei Verlegern und Publikum anfänglich noch auf Unverständnis, doch nicht lange: schon bald begannen, getragen von vaterländischen und mittelaltersehnsüchtigen Zeitstimmungen vielerlei Editionsunternehmen auf der Grundlage des neuen Standards, unter ihnen die MONUMENTA GERMANIAE HISTORICA (gegründet 1817). Als LACHMANN 1851 starb, war seine Art, Texte wissenschaftlich herauszugeben, selbstverständlich geworden.
Mit den einzelnen Handschriften beschäftigten sich also die LACHMANN-Schüler wegen des Stemmas und mit dem Stemma wegen des Urtexts. Die einzelnen Handschriften hatten für sie einen Wert als Zeugen des Urtextes, nicht als Stationen der Textgeschichte. Die Textgeschichte erforschten sie nicht als Geschichte der Entwicklung des Textes hin zu einer Vielfalt an Versionen, sondern retrospektiv, als eine Vorarbeit zur Rekonstruktion des Urtextes.
Das änderte sich erst allmählich ein Jahrhundert nach LACHMANNs Tod. Zuerst hatten sich die Editoren hauptsächlich mit den antiken Klassikern befaßt, die im Mittelalter nur selten abgeschrieben worden sind; je mehr sie sich mit auch wirklich im Mittelalter in Gebrauch gewesenen und entsprechend viel abgeschriebenen Texten beschäftigten (zum Beispiel Rechtssammlungen), desto mehr bekamen sie es mit komplizierten Überlieferungsgeschichten zu tun, die auch als solche einer Erforschung wert erschienen. Schließlich hat zum Beispiel Dmitrij Sergeevic LIKHACEV, ein Herausgeber russischer mittelalterlicher Geschichtswerke (deren Überlieferungsgeschichte besonders kompliziert ist), 1962 gefordert, die Fixierung der Textgeschichte auf den Archetypus zugunsten einer umfassenden Textologie aufzugeben, die die Geschichte des Textes in all seinen Versionen durch die Zeit hin betrachtet.
Indem er Kriterien aufgestellt hat, nach denen mechanisch entschieden werden kann, welche von verschiedenen Lesarten auf den Archetypus zurückgehen müssen, hat LACHMANN selbst bereits eine wesentliche Voraussetzung für eine Automatisierung der Stemmatologie geschaffen.
Bereits seit den 1960-er-Jahren wird die elektronische Datenverabeitungstechnik in die Textkritik einbezogen, auch in die Erforschung von Handschriften-Stammbäumen. Daß nun so viel größere Datenmengen verarbeitbar wurden, führte zunächst manchmal dazu, daß quantitative Argumente überschätzt und etwa auch zum Beweis von Verwandtschaftsverhältnissen eingesetzt wurden.
Ben SALEMANS (Utrecht) hat über die Computer-Stemmatologie mehrere Aufsätze und zuletzt im Jahre 2000 seine Doktorabhandlung geschrieben. Mißtrauisch gegen eine Überschätzung des Computers, bleibt er bei der Methode LACHMANNs und behält die Schlußentscheidung dem Urteilsvermögen des Philologen vor. Aber tatsächlich nur diese einzige, leicht zu kontrollierende und bei Bedarf zu korrigierende Schlußbeurteilung - den Computer programmiert er nämlich so, daß der die gesamte "Vorarbeit" übernimmt und alle in den Textversionen enthaltenen verwandtschaftsrelevanten Daten erfaßt, miteinander kombiniert und in einem einzigen übersichtlichen Schaubild, als sogenannte "Kette", anzeigt. Diese Kette ist fast schon ein Stemma: alles was ihr dazu noch fehlt und was der Schlußentscheidung des Philologen vorbehalten bleibt, ist, sie auf einen Archetyp hin zu "orientieren", also den Ausgangspunkt und damit die Richtung der Entwicklung anzugeben.
Im ersten Schritt läßt SALEMANS eine Liste aller Textgruppen erstellen. Das sind Texte, die sich durch irgend eine gemeinsame Lesart von den anderen unterscheiden. SALEMANS läßt den Computer an jeder Stelle , an der es mehrere Lesarten gibt, die einander entgegenstehenden Textgruppen und ihre Lesarten in einer "Variantenformel" erfassen, nach dem Muster:
Texte abc : Texte defg = Lesung A : Lesung B.
Alle diese Textgruppen sind aufgrund ihrer gemeinsamen Abweichung vom Rest an der einen Stelle bereits Elemente des Stammbaums, insofern diese ihre gemeinsame Abweichung vom Rest nur zu erklären ist, wenn diese Texte auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen.
Wo in der Kette alle diese Textgruppen ihre Plätze einnehmen, ergibt sich im zweiten Schritt. Da läßt SALEMANS die Textgruppen nach den darin enthaltenen Texten logisch miteinander verketten. Die Verkettung der Textgruppen kann tatsächlich rein "mathematisch", allein anhand der enthaltenen Elemente (Texte) und Teilmengen (kleinere Textgruppen) geschehen; welche gemeinsamen, vom Rest abweichenden Lesarten zur Aufstellung der einzelnen Textgruppen geführt hatten, läßt SALEMANS jetzt unberücksichtigt: Alle Textgruppen sind gleichwertige Textgruppen. SALEMANS läßt zuerst die kleinsten Gruppen suchen, die in größeren als Teilmengen wiederkehren. Durch eine Linie läßt er die kleine mit der kleinsten von den Gruppen verbinden, in denen sie als Teilmenge enthalten ist. Sind mehrere bereits verbundene Gruppen komplett in einer größeren Gruppe enthalten, verbindet er die Verbindungslinie der kleineren mit der größeren Textgruppe. Dieser Prozeß schreitet von den kleinsten zu den größten Textgruppen fort und endet erst, wenn alle innerhalb der Gruppenliste möglichen Teilmengenbeziehungen hergestellt sind.
Auf diese Weise ist es mittels EDV möglich, alle Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Texten eines Korpus anhand bestimmter Merkmale zu erfassen, zu einem Ausdruck zusammenzusetzen und übersichtlich graphisch darzustellen. Dieser läßt dann die möglichen Abhängigkeitsverhältnisse klar erkennen.
Nach welchen Merkmalen man dabei den Computer die Texte zu Gruppen im Stammbaum zusammenfassen läßt, sollte man je nach der Art der Texte entscheiden, die man untersuchen möchte, und insbesondere danach, wie diese Texte untereinander zusammenhängen.
Klassisches Anwendungsgebiet der Lachmannschen Methode sind Korpora von Texten, die einen und denselben Text überliefern.
Der Zusammenhang zwischen solchen Texte ist dadurch gekennzeichnet, daß sie ein "geschlossenes" Korpus darstellen, "am Anfangspunkt der für uns überschaubaren Tradition" steht "ein einziger fest umrissener Archetypus". Diesen zu rekonstruieren, ist der Zweck, zu dem die wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisse geklärt werden müssen. Mit "unberechenbaren Sprünge[n] zwischen Vorlage und Abschrift" rechnet man bei solchen Textkorpora nicht. Die Schreiber solcher Texte haben, davon geht man aus, "mit dem Vorsatz gearbeitet […], den Wortlaut ihrer Quelle getreu wiederzugeben."
Auch SALEMANS' Texte sind ein Korpus dieser Art.
Wenn man davon ausgeht, Schreiber hätten den Text, der ihnen jeweils vorlag, abgeschrieben, ohne an seiner Richtigkeit zu zweifeln (eventuell sogar mechanisch, ohne ihn zu verstehen), kann man aus einem Fehler, den mehrere Schreiber verschiedener Textzeugen gemacht haben, schließen, daß ihnen dieselbe Vorlage (direkt oder über Zwischenabschriften) vorgelegen hat und ihr gemeinsamer Fehler seine Ursache in einem Fehler dieser gemeinsamen Vorlage hat. Der gemeinsame Fehler, oder besser die gemeinsame Abweichung vom Rest der Überlieferung, ist bei solchen Texten das Merkmal, das die sichersten Rückschlüsse erlaubt auf die Umstände, die bei der Entstehung der Texte gewirkt haben, vor allem auf Vorlagen, die benutzt wurden. Diese Art zu argumentieren ist in der Lachmannschen Methodik denn auch die klassische:
la communauté des fautes implique la communauté d'origine.
… non plus les leçons communes (bonnes ou mauvaises) mais seulement les leçons fautives. [beweisen gemeinsame Abstammung]
Die Verwandtschaft der an der Überlieferung beteiligten Handschriften muß auf Grund einwandfrei erkannter Fehler bestimmt sein.
Wie SALEMANS anhand der gemeinsamen Abweichungen die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Texten automatisch eruieren läßt, haben wir bereits im vorigen Kapitel gesehen.
Für Textkorpora, die nicht alle diese Bedingungen erfüllen, sind gemeinsame Fehler aber kein geeignetes Merkmal, um Abhängigkeit zu erkennen. Schon wenn man von einem Schreiber entweder annehmen kann, daß er verschiedene Abschriften eines Textes mehr oder weniger kritisch verglichen ("contaminatio") und daraus seinen eigenen Text gebildet habe, oder daß er die Fehler der ihm vorliegenden Abschrift habe erkennen und selbständig verbessern können ("divinatio"), wird der Schluß von gemeinsamen Abweichungen vom Rest des Korpus darauf, daß die Texte mit der gemeinsamen Abweichung auch eine gemeinsame Vorlage benutzt haben, unmöglich. Wenn aber ein Textkorpus gar keine geschlossene Überlieferung eines festen Archetyps darstellt und die Schreiber der einzelnen Texte gar nicht "mit dem Vorsatz gearbeitet haben, eine Vorlage getreu wiederzugeben", ist es sinnlos, nach "gemeinsamen Fehlern" der Abschreiber zu suchen, um aus diesen darauf zu schließen, was für Texte ihnen vorgelegen haben. Textverwandtschaft muß in solchen Fällen an anderen Merkmalen als an gemeinsamen Abweichungen erkannt werden.
Diesen Fall haben wir bei den Hospitalregeln: Daß an ihrem Anfangspunkt ein fest umrissener Archetypus gestanden hätte, den alle Verfasser der späteren Hospitalregeln getreu hätten übernehmen wollen, das anzunehmen, gibt es keinen Grund. Die Hospitalregeln sind nicht "Textzeugen" einer fest umrissenen "UrHospitalregel", sondern selbständige Texte, in die aufgrund ganz bestimmter Umstände eine Menge übereinstimmender Wortfolgen gekommen sind.
Damit erfüllen die Hospitalregeln keine der Voraussetzungen für die Anwendung der Lachmannschen Methode. Trotzdem läßt sich die Verwandtschaft unter solchen Texten analog zur Lachmannschen Methode aufklären, man muß nur statt nach gemeinsamen Fehlern nach einem anderen Textmerkmal suchen, das genealogische Information enthält.
Bei Texten, die eigentlich dazu geschrieben worden sind, einen anderen Text getreu zu überliefern, ist Abweichen von der übrigen Überlieferung etwas Unerwartetes. Nicht ohne einen besonderen Grund werden zwei oder mehrere Texte an irgendeiner Stelle gemeinsam zu einer anderen Lesart kommen als der Rest der Überlieferung. Man muß annehmen, daß beim Abschreiben dieser Texte irgendein besonderer Umstand vorgelegen hat oder daß es ein bloßer Zufall war. Kann man den zufall ausschließen, ist die naheliegendste Erklärung eine gemeinsame Vorlage.
Bei einer Gruppe von Texten, die ihrer Intention nach selbständig sind, wie den Hospitalregeln, ist es aber umgekehrt: wenn sie trotzdem an einzelnen Stellen übereinstimmen, ist diese Übereinstimmung das Erstaunliche. Wo Verschiedenheit zu erwarten war, muß Übereinstimmung irgendeinen besonderen Grund haben. Das kann, wenn der Zufall sich ausschließen läßt, kaum etwas anderes als die Benutzung einer gemeinsamen Vorlage gewesen sein.
Die Datengrundlage für klassische Lachmannsche Textkritik sind gemeinsame Abweichungen - die Datengrundlage für Verwandtschaftsanalysen an Hospitalregeln und ähnlichen selbständigen Texten werden Konkordanzen sein.
Texte bestehen aus Sinnabschnitten und Wörtern. Dies sind also diejenigen Eigenschaften, deren Übereinstimmungen man vor allem auswerten sollte, um Ähnlichkeiten zwischen Texten zu messen.
Eine Folge von zwei oder mehr aufeinanderfolgenden gleichlautenden Wörtern, die in zwei oder mehreren verschiedenen Texten einmal oder mehrmals auftreten, bezeichne ich im Folgenden als "Wortfolgenkonkordanz".
Ich habe eine Prozedur "WortfolgenkonkordanzenFinden()" in der Sprache VBA (Visual Basic for Applications) geschrieben, um die konkordanten Wortfolgen aus allen möglichen Wortpaaren aller in einer Datenbank abgelegten Texte herauszusuchen und sie in einer neuen Tabelle zur weiteren Auswertung bereitzuhalten.
Die Stärke der Wortfolgenkonkordanzen als Datengrundlage für Ähnlichkeitsbestimmung besteht darin, daß man durch sie Textgleichheit findet, auch wenn die Reihenfolge von Abschnitten verschieden ist; und das ist ein Umstand, mit dem gerade bei Regeln und ähnlichen Texten, denen ein Erzählzusammenhang als innerer Stabilisator fehlt, häufig zu rechnen ist.
Ihre Schwäche haben die Wortfolgenkonkordanzen darin, daß sie sich vollständig vom Wortlaut abhängig machen und den Inhalt der Texte ignorieren. Wenn zum Beispiel eine lateinische Hospitalregel Kapitel für Kapitel in eine Volkssprache übersetzt worden ist, liegt ja ohne Zweifel eine enge Verwandschaft vor, obgleich zwischen der lateinischen Vorlage und der Übersetzung kein einziges Wort übereinstimmt - die Abfolge der Sinnabschnitte hingegen gänzlich. Daher müssen die Wortfolgenkonkordanzen als Datengrundlage für Verwandtschaftsuntersuchungen eigentlich noch durch andere Daten aus denselben Texten vervollständigt werden. Diese komplementären Daten müssen gerade Gleichheit in der Disposition der Inhalte erfassen und sollen vom Wortlaut ruhig absehen.
Wörter und Wortfolgen kann ein Computer ohne weiteres erkennen und vergleichen; Inhalte und inhaltlich definierte Abschnitte kann er erst erkennen, nachdem man sie von Hand gekennzeichnet hat, am besten durch Textmarken.
Und sofern man nur sicherstellt, daß für gleiche Inhalte jeweils genau dieselben Textmarkennamen gewählt werden, kann man auch die Inhalte später automatisch vergleichen lassen: Die Liste aller Textmarkennamen eines Textes, in der Reihenfolge des Vorkommens im Text hintereinandergeschrieben, repräsentiert ja fortan dessen Inhaltsreihenfolge. Sequenzen von Textmarkennamen kann der Computer dann auf genau dieselbe Weise wie Wortfolgen automatisch vergleichen und Konkordanzen festhalten.
Ob man also nach der klassischen LACHMANNschen Methode mit gemeinsamen Abweichungen arbeitet oder bei selbständigen Texten mit Übereinstimmungen: für beiderlei Datengrundlagen gilt, daß sie zunächst nicht frei von zufallsbedingten "Parallelismen" sein werden. Immer ist auch damit zu rechnen, daß der schiere Zufall oder ein ähnliches Sprachgefühl zwei oder mehrere Schreiber auf den gleichen Gedanken gebracht hat. Solche Parallelismen enthalten natürlich keine "genealogische Information" und erlauben keinen Rückschluß auf eine Vorlage. Bevor man mit der Datengrundlage arbeiten kann, sollte man sie deshalb gegen den Zufall als Fehlerquelle absichern.
Je mehr die eigentliche Arbeit automatisiert wird, desto aufwendiger fallen die Vorüberlegungen aus: Vor dem Computerzeitalter sah sich ein Textkritiker jede einzelne Variante an und entschied, ob sie wichtig oder unwichtig für die Rekonstruktion des Stemmas und des Archetypus sei. Bei SALEMANS sind alle diese Einzelentscheidungen der Subjektivität des Bearbeiters entzogen, dieser braucht nur noch am Ende die gesamte Kette zu beurteilen und zu "orientieren". Für Entscheidungen aber, die nun dem Computer übertragen werden, muß zuvor ein Programmierer hundertprozentige Kriterien festgelegt haben.
In vielen Wissenschaften, treten bei genealogischen Fragestellungen entsprechende Probleme auf, z.B. in der Vergleichenden Sprachwissenschaft, Archäologie, Kunstgeschichte und in der biologischen Systematik. In der Biologie haben sich hierbei zwei methodische Richtungen herausgebildet, deren Verschiedenheit darin besteht, was für eine Datengrundlage sie zur Erstellung von homologen Systemen verlangen. Die gleichen methodischen Richtungen entstanden, seit die Verarbeitung sehr großer Datenmengen möglich geworden ist, auch in der Philologie . Die eine Richtung, in der Biologie Phenetik genannt, fordert, die Gesamtheit der Merkmalsausprägungen der einzelnen Taxa möglichst vollständig zu erfassen, weil so das getreueste Abbild der wirklichen Abstammungsgeschichte zu erzeugen sei und die Fehler, die durch bloß zufällige Analogien verursacht werden, möglichst gering zu halten seien. Die andere, in der Biologie als Kladistik bekannte Richtung fordert dagegen eine sorgfältige Vorauswahl der Merkmale, deren Ausprägungen bei den einzelnen Taxa zu berücksichtigen sind, um die Auswirkung solcher, die "keine genealogische Information enthalten" auf das Gesamtbild mit Sicherheit auszuschließen. SALEMANS erklärt sich vehement für die kladistische Methodik.
SALEMANS geht beim Bereinigen seiner Datengrundlage nicht gerade zimperlich zu Werke. Er stellt elf "textgenealogische Prinzipien" auf. Sie zu begründen, ihnen geradezu Allgemeinverbindlichkeit für Textverwandtschaftsuntersuchungen zuzusprechen, macht überhaupt den Großteil seiner letzten Abhandlung aus. Von mehreren 10.000 bleiben bei ihm nur 239 Textgruppen übrig und die reduziert er dann "von Hand" noch einmal auf ein Sechstel, bevor er sie dem Programm zur Konstruktion der Kette übergibt! Die Kettenbildung funktioniert mit diesen wenigen Textgruppen denn auch, ohne daß irgendwelche inneren Widersprüche auftreten -
Im einzelnen sind SALEMANS' "textgenealogische Prinzipien" auf die Hospitalregeln wohl nicht anwendbar. Das Prinzip hinter den Prinzipien ist zwar schon gültig: Genealogisch informativ sind Textmerkmale, die in ihrem Kontext eine so große Überlebenskraft besitzen, daß sie Zufällen und Eigenmächtigkeiten beim Abschreibvorgang widerstehen konnten. Sie müssen dem Abschreiber so selbstverständlich vorgekommen sein, daß er extra starke Gründe hätte haben müssen - stärkere als bloß einen Zufall -, um sie nicht so abzuschreiben, wie sie ihm vorlagen. Aber das in Filterkriterien umzusetzen halte ich nicht für möglich; bestenfalls ergäbe es eine ziemlich subjektive Auswahl.
Viel mehr verspreche ich mir von den statistischen Möglichkeiten, die die elektronische Datenverarbeitungstechnik jetzt bietet.
Eigentlich läßt sich zwar mit quantitativen Methoden nur Ähnlichkeit feststellen: Übereinstimmende und nicht übereinstimmende Werte von Texteigenschaften zu zählen und statistisch auswerten, reicht zum Beweis von Verwandtschaft eigentlich nicht aus, kann doch die Werteverteilung einer einzigen Eigenschaft als Argument schwerer wiegen als alle anderen zusammen. Entscheidend ist nicht die Menge der Übereinstimmungen sondern ihre jeweilige Ursache: Sind sie vom Zufall verursacht und damit ohne genealogischen Informationsgehalt oder hat ein Text bei der Abfassung eines anderen als Vorlage gedient, dann sind sie verwandt, auch wenn das nur an einer einzigen Stelle sichtbar wird. Nur wenn man den Zufall ausschließen könnte, könnte man zu genealogischen und historischen Dimension vordringen und auf Verwandtschaft und Abhängigkeit schließen. Erst wenn man wenigstens für einige Übereinstimmungen aufgrund irgendwelcher Indizien ausschließen kann, daß sie von Zufällen verursacht sein können, kann man Texte als verwandt bezeichnen.
"Verwandtschaft" impliziert stets eine Hypothese über Abstammung. Es ist ja eigentlich ein Begriff aus der Biologie. Im engeren Sinne "verwandt" sind Lebewesen, die von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen. Die Existenz eines solchen, sei er noch bekannt oder nur noch postuliert, wird immer unterstellt. "Verwandtschaft" bei Texten hieße, daß der Verfasser eines dieser Texte einen anderen gekannt und als Vorbild bei der Abfassung seines Textes benutzt hat. Und zwar einen. Streng genommen könnte man den Begriff "Verwandtschaft" daher auf die Hospitalregeln gar nicht anwenden; man müßte ihn zuvor erweitern, so daß er auch mehrere gemeinsame Vorfahren zuläßt. Auf Beziehungen zwischen Texten läßt sich "Verwandtschaft" also nur in weiterem Sinne anwenden. Auf jeden Fall erfordert es, die Entstehung ihrer ganzen Übereinstimmungen und Verschiedenheiten geschichtlich erklären zu können.
Aber bei einem hohen Grad an Ähnlichkeit, also sehr vielen Übereinstimmungen im Verhältnis zur Textlänge, müßte man schon unwahrscheinlich viele in dieselbe Richtung gehende Zufälle unterstellen, um nicht von Verwandtschaft sprechen zu müssen. Deshalb muß ein gewisses Maß an Ähnlichkeit doch auch wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit von Verwandtschaft beinhalten. Ich möchte versuchen, für jede Textgruppe das Maß der Ähnlichkeit zu finden, um so die Wahrscheinlichkeit, mit der ihre Mitglieder verwandt sind, bestimmen zu können. Dann kann ich die Textgruppen mit signifikanten Verwandtschaftswahrscheinlichkeiten zu einer Kette zusammensetzen lassen, die den Entstehungszusammenhang der Hospitalregeln recht genau repräsentiert.
Ähnlichkeit von Texten ist nicht nur daran zu erkennen, daß in ihnen die gleichen Elemente (einerseits Wörter und andererseits Sinnabschnitte) vorkommen, sondern auch daran, daß die Reihenfolge dieser Elemente übereinstimmt. Die Wortfolgenkonkordanzen und Kapitelfolgenkonkordanzen sind daher die geignete Datengrundlage, um ein Maß für Ähnlichkeit zu erhalten. Je höher entweder die Zahl oder die Länge der zwischen zwei Texten bestehehenden Wort und Kapitelfolgenkonkordanzen ist, desto ähnlicher sind diese Texte.
Bildet man die Summe der Längen aller Konkordanzen, hat man Zahl und Länge in einen Wert zusammengefaßt. Diesen Wert bezeichne ich als "Gesamtkonkordanzenlänge". In ihm schlägt sich eine hohe Zahl kurzer Konkordanzen ebenso nieder wie wenige sehr lange. Faßt man im Sinne der Mengenlehre Texte als Mengen von Elementen (nämlich 1. Wörter, 2. Sinnabschnitte) auf, so wäre die Gesamtkonkordanzenlänge die Schnittmenge der verglichenen Texte:
Die bloße Gesamtkonkordanzenlänge ist jedoch noch kein Maß für Wahrscheinlichkeit von Verwandtschaft, da sie noch von der Länge der jeweils verglichenen Texte abhängt: denkt man sich gleich ähnliche Gruppen von Texten unterschiedlicher Länge, so werden die Textgruppen mit den längeren Texten mehr Übereinstimmungen miteinander aufweisen als die mit den kürzeren, schon allein weil sie mehr Wörter enthalten.
Die Gesamtkonkordanzenlänge muß daher zur Länge der verglichenen Texte ins Verhältnis gesetzt (mit den Textlängen standardisiert) werden, um eine von Textlängen unabhängige "Verwandtschaftswahrscheinlichkeit" zu erhalten:
Eine solche Definition der Verwandtschaftswahrscheinlichkeit bewirkt, daß ihre Werte stets zwischen 0 und 1 liegen werden,
denn sie wird 1, wenn die verglichenen Texte identisch sind und umgekehrt sind die verglichenen Texte identisch, wenn sie 1 ist:
,
und sie wird 0, wenn die verglichenen Texte überhaupt kein gemeinsames Element haben und umgekehrt sind die verglichenen Texte disjunkt, wenn sie 0 ist:
.
Wenn ein Text B in dem Text A enthalten ist, dann ist die Verwandtschaftswahrscheinlichkeit gleich dem Quotienten aus den Quadratwurzeln der beiden Textlängen:
Eine Datenbank bietet die besten Möglichkeiten, aus den Texten jede Art von Informationen zu gewinnen, auch solche, die für ihre Verwandtschaftsverhältnisse relevant sind. Man kann nämlich mit stärkeren und schnelleren Abfragewerkzeugen auf den Inhalt einer Datenbank zugreifen als auf einfache Textdateien. Die Daten werden bereits Eine Voraussetzung dafür ist bereits die strukturierte Art, wie die Daten abgelegt werden: in Feldern und Zeilen: in Zeilen (auch Datensätze genannt) werden die Werte der verschiedenen Eigenschaften einer Einheit angeordnet, in Feldern Werte derselben Eigenschaft für verschiedene Einheiten. Der Zugriff auf jeden beliebigen Wert ist dann über Feldnamen und Kriterien zur Auswahl bestimmter Datensätze möglich. Ein "relationales" Datenbankmanagementsystem (DMS) speichert zusätzlich Regeln für Beziehungen zwischen Daten in verschiedenen Feldern und Indizes über ausgewählte Felder. Dadurch schützt sie die Integrität der Daten gegenüber Eingabefehlern und beschleunigt das Suchen
Um die Daten auszuwerten, benutzt man genormte Abfragesprachen, allen voran "Standard Query Language" (SQL). Man gibt in SQL die Felder an, aus denen man Daten abfragen möchte und hat ansonsten praktisch unbegrenzte Möglichkeiten, durch Kriterien die Datensätze einzugrenzen, deren Werte berücksichtigt werden sollen; die gefundenen Werte kann man einzeln anzeigen lassen oder aber gleich ihre Summe, ihren Mittelwert oder was auch immer berechnen lassen; außer zum Abfragen von Daten kann man SQL auch benutzen, um bestimmte Daten zu ändern, zu löschen oder hinzuzufügen.
Ich habe für meine Untersuchung ein relationales DMS benutzt, das mir wie sehr vielen PC-Besitzern als Teil des Microsoft-Office-Softwarepakets nun einmal zur Verfügung gestanden hat: MS Access (in der Version 97). Es wird zwar landläufig nur zur Verwaltung von Kunden- oder Artikeldaten in kleinen und mittelgroßen Unternehmen eingesetzt, hat sich aber, vor allem durch die eingebaute Programmiersprache VBA als an die verschiedensten Erfordernisse der Textuntersuchung (zum Erstaunen auch erfahrener Access-Programmierer) hervorragend anpaßbar erwiesen. Da alle entscheidenden Schritte der Untersuchung aus SQL-Anweisungen bestehen, ist jedoch das ganze Projekt nicht auf MS Access angewiesen sondern ohne Probleme auf andere relationale DMS portierbar.
SALEMANS läßt die Verkettung der Textgruppen übrigens von einer Software namens PAUP durchführen, die in der biologischen Systematik entwickelt worden ist, um die Position von Pflanzen- oder Tierarten in der Entwicklungsgeschichte aufgrund von Ausprägungen einzelner Merkmale zu bestimmen. Dieses Programm ist leider nicht frei erhältlich, die für unsere Zwecke wichtigen Funktionen lassen sich aber in VBA gut nachbauen.
Sind die Texte erst einmal in einer Datenbank, kann man sie nicht nur statistisch auswerten, sondern auch sehr komfortabel nach bestimmten Stellen suchen, die man zum Nachweis von Verwandtschaft benötigt.
Texte, die gedruckt vorliegen, wurden mithilfe eines Scanners fotografiert und mit der damals führenden Texterkennungssoftware FineReader© in digitale Texte umgewandelt Ungedruckte Texte wurden nach Fotos oder Kopien, die mir Archive freundlicherweise zur Verfügung stellten, von Hand per Tastatur digitalisiert. Nun stehen alle diese Texte auch hier als html-Dateien zur Verfügung.
Beim Import in eine neue Datenbank habe ich jeden Text in einer eigenen Tabelle gespeichert. Dieser Vorgang wäre automatisierbar gewesen. Alle Tabellen haben die gleiche Struktur: sie bestehen aus drei Spalten.[2]
Eine enthält die Wörter des Textes, und zwar immer genau ein Wort pro Zeile, so daß jedes Wort einen eigenen Datensatz darstellt. Eine zweite Spalte wurde zuvor als Auto-Wert-Feld angelegt. In ihr wird bei Einfügung des Textes zu jedem Wort automatisch eine Identifikationsnummer erzeugt, für das erste Wort 1 und dann von Wort zu Wort um 1 ansteigend. So erhalten alle Wörter eindeutige Zahlen als Schlüssel, und zugleich wird die richtige Reihenfolge der Wörter im Text festgehalten und ihre Position im Kontext durch Zahlen ausdrückbar, zum Beispiel kann man dann sagen, die Wortfolge 17 bis 25 in Text X sei gleich der Wortfolge 38 bis 46 in Text Y.
In einer dritten Spalte habe ich nachträglich durch eine selbst geschriebene Prozedur zu jeden Wort ein Synonym erzeugen lassen, also dasselbe Wort in einer Schreibweise, die bekannte orthographische Varianten ausgleicht. So kann ich diese Synonyme anstelle der Wörter vergleichen, und gleiche Wörter finden, auch wenn die mittelalterlichen Texte sie verschieden schreiben. In Adreßdatenbanken ist dieses Verfahren üblich, um zum Beispiel den Namen "Meyer" auch unter "Mayer", "Maier" und "Meier" zu finden. Meine Synonymtabelle berücksichtigt folgende Orthographie-Varianten:
Dazu habe ich eine Prozedur geschrieben, die folgende Arbeitsschritte erldigt:
Aus allen diesen Textpaaren bildet sie zunächst das Kreuzprodukt aus den Wörtern beider Texte), das heißt sie kombiniert jedes Vorkommen jedes Wortes in dem einen Text (definiert durch die laufende Nummer des Worts) mit jedem in dem anderen Text. Alle jene Wortpaare, deren beide Hälften gleich sind, speichert sie mit den zugehörigen Wort-Nummern in einer Hilfstabelle, die, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hat. wieder gelöscht wird.
Diese "Einzelwörterkonkordanzen" dienen als Datengrundlage bei der Suche nach längeren Folgen übereinstimmender Wörter. Von jedem der Paare in der Liste der Einzelwörterkonkordanzen ausgehend, wird gefragt, ob auch die jeweils darauffolgenden Wörter (also die Wörter mit der nächstgrößeren Wort-Nummer) in derselben Liste stehen. Wenn sie in beiden Texten gleich sind, muß das der Fall sein. In diesem Fall wird die Frage bezüglich der nächsten beiden Wörter wiederholt, so lang, bis die Übereinstimmung aufhört. Dann werden der Wortlaut der Wortfolgenkonkordanz und die Anfangs- und Endpositionen aus beiden Texten in einer Tabelle "Wortfolgenkonkordanzen" abgelegt. Das Wortpaar in der Einzelwörterkonkordanzenliste, von dem die Suche ausgegangen war, wird nun als erledigt gelöscht und die nächste Suche beginnt beim nächsten Wortpaar.
Man kann in diese Suchprozedur noch eine gewisse Fehlertoleranz einbauen, indem man programmiert: falls eine Übereinstimmung nur durch ein Paar (einstellbar wären auch 2, 3 ? Paare) verschiedener Wörter unterbrochen wird und beim nächsten Wortpaar weitergeht, soll bei dem ungleichen Wortpaar nicht abgebrochen werden. In der Ergebnistabelle soll es durch Auslassungspunkte kenntlich gemacht werden. Ich habe den Vergleich mit dieser Einstellung durchgeführt, um die Gefahr der Verfälschung des Ergebnisses durch bloß orthographische Abweichungen oder geringe sprachliche Freiheiten noch weiter zu minimieren. Will man die Ergebnisse ohne diese unvollständigen Übereinstimmungen sehen, ist es später ein Leichtes, sie auszublenden.
Als Ergebnis der Datenerfassung habe ich eine Tabelle mit 290510 Wortfolgenkonkordanzen erhalten.
Diese Tabelle zeigt jeden Konkordanzfund mit dem Textpaar, in dem er vorkommt, für sich an. Das ist noch nicht ganz der Gesamtüberblick über die Beziehungen zwischen Wortfolgen und Texten, den ich brauche, um Textgruppen anhand der Wortfolgen (anstelle der Varianten in Salemans' Verfahren) als Kriterium bilden zu können.
Zu jeder Wortfolge sollen also alle Texte, in denen sie vorkommt, angezeigt werden und zu jedem Text alle Wortfolgen, die er mit andern gemeinsam hat. Durch ein paar Datenumformungen ist das jetzt leicht zu erreichen. Beim Suchen nach Wortfolgenkonkordanzen geich jeden Fund daraufhin zu prüfen, ob die Wortfolge neu oder schon in anderen Texten gefunden worden ist, hätte die Such-Prozedur übermäßig belastet, das Erkennen von Wortfolgen-Duplikaten ist nämlich recht aufwendig, müssen doch orthographische Varianten auch hierbei ausgeschlossen bleiben.
Deswegen will ich die in der Tabelle "Wortfolgenkonkordanzen" enthaltenen RohDaten normalisieren, indem ich sie in drei miteinander verknüpfte Tabellen verteile: In einer sollen nur die wirklich verschiedenen Texte stehen, in einer anderen nur die wirklich verschiedenen Wortfolgen und eine dritte soll als Verknüpfungstabelle darüber Auskunft geben, zu welchen Texten welche Wortfolgen gehören. So wird das Tabellenvolumen verkleinert, die Abfragegeschwindgkeit gesteigert, und die Eindeutigkeit der Daten gesichert, denn die Verknüpfungstabelle akzeptiert nur noch Verweise auf eindeutigen Datensätze der Text- und der Wortfolgentabelle - und dazu die Incipit- und Explicit-Nummern.
1. Die eindeutige Text-Tabelle habe ich bereits beim Textimport angelegt.
2. Eine eindeutige Wortfolgentabelle erhalte ich mit Hilfe eines "INSERT-INTO"-SQL-Statements aus der Tabelle mit den Wortfolgenkonkordanzen. Dabei muß jedoch verhindert werden, daß Duplikate oder orthographische Synonyme von Wortfolgenkonkordanzen in die neue Tabelle übertragen werden. Um orthographische Synonyme zu erkennen, wende ich dieselbe Methode an wie beim Finden der Wortfolgenkonkordanzen: In einer neuen Spalte füge ich das SoundEx-Synonym der jeweiligen Wortfolge hinzu. Die drei Auslassungspunkte, die beim Aufzeichnen der Wortfolgenkonkordanzen gesetzt worden sind, wo zwei Texte in einem einzigen Wort inmitten einer längeren Wortfolgenkonkordanz voneinander abweichen, ersetze ich in den Synonymen durch einen "Regulären Ausdruck", der ein beliebiges Wort vertritt Nach diesen Synonymen gruppiere ich dann die gesamte Tabelle. Nur den jeweils ersten Wert jeder Gruppe übertrage ich in die neue Tabelle Da ich die Wortfolgen in Zukunft nicht mehr sortieren oder durchsuchen brauche, brauche ich als Felddatentyp jetzt nicht mehr "Text" mit der Längenbeschränkung auf 255 Zeichen zu wählen und kann den Wortlaut derer, die bisher unvollständig eingetragen waren, vervollständigen. Es zeigt sich, daß es 10.518 verschiedene Wortfolgen gibt, die in mindestens 2 Texten vorkommen.
Abschließend füge ich der neuen Tabelle schon jetzt ein Feld hinzu, in dem ich die Länge der Wortfolge in Wörtern berechnen lasse (aus der Differenz von Explicit- und Incipit-Wortnummer in der alten Tabelle), das spart später Rechenleistung. Die Längen liegen zwischen 485 und 2 Wörtern.
3. Nun ist noch aus der Tabelle "Wortfolgenkonkordanzen" eine Tabelle "WortfolgenUndTexte" zu erstellen, die in einer Spalte Texte und in der anderen die darin vorkommenden Wortfolgen zeigen soll, dazu noch 2 Spalten für Anfangs- und Endwortnummer der Wortfolge in dem Text.
Dazu füge ich der alten Tabelle zunächst ein numerisches Feld "Wortfolge_Nr" hinzu, das das Textfeld "Wortfolge" ersetzen soll. Nun verknüpfe ich die Felder "Synonym" in beiden Tabellen miteinander und setze daraufhin alle Werte im Feld "Wortfolge_Nr" in der alten Tabelle auf die Werte der Wortfolgennummer in der neuen Tabelle. Schließlich ändere ich die Beziehung zur Wortfolgenkonkordanzen-Tabelle dahin, daß sie statt der Synonym-Felder die beiden Wortfolge_Nr-Felder umfaßt. Von der Tabelle Wortfolgenkonkordanzen aus kann nun über den Verweis auf die eindeutigen Wortfolgen in der neuen Tabelle zugegriffen werden, was man durch eine Abfrage testen kann. Die Felder "Wortfolgen" und "Synonym" in der alten Tabelle sind jetzt überflüssig geworden, und ich könnte sie löschen , wenn ich nicht die alte Tabelle sowieso durch eine neue Grundtabelle "WortfolgenUndTexte" ersetzen würde.
Danach kann ich aus "Text1" und "Text2" der Wortfolgenkonkordanzen-Tabelle durch eine UNION-Abfrage eine einzige Spalte "Text" bilden und daraus die neue Grundtabelle erstellen, die künftig "Wortfolgenkonkordanzen" ersetzen soll. Dies ist eine Tabelle mit nur noch 53.530 Datensätzen gegenüber den mehr als 290.000 in "Wortfolgenkonkordanzen".
Das gelingt mithilfe der SQL-Anweisung: SELECT Text1.Name, Text2.Name FROM Textverzeichnis AS Text1, Textverzeichnis AS Text2 WHERE Text1.Name < Text2.Name;
. wobei 'Textverzeichnis' eine Tabelle mit einer einzigen Spalte, nämlich 'Name', ist. Diese einfache Lösung für das nicht banale Problem, jeden Text in einer Liste mit jedem, aber nicht mit sich selbst zu kombinieren, fand für mich Frau Rita SCHMITT, Systementwicklerin, Idstein, deren Rat mir den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung der Textvergleichsprozedur gegeben hat und der ich deshalb größten Dank schulde.[x]
Die SQL-Anweisung dafür lautet: SELECT Text1.Nr AS Nr1, Text2.Nr AS Nr2, Text1.Wort AS Text1Wort, Text2.Wort AS Text2Wort FROM Text1, Text2 WHERE Text1.Wort = Text2.Wort OR Text1.Wort = Text2.Synonym OR Text1.Synonym = Text2.Wort ORDER BY Text1.Nr, Text2.Nr;
.[x]
Indem man die Ergebnisse nach dem Kriterium 'Not Like '*...*'' filtert.[x]
Siehe Kap. 4 im bereits oben zitierten Artikel von Andreas Kelz über realationale Datenbanken: 'Der Königsweg: Normalisierung'.[x]
Vgl. oben S. 39.[x]
Vgl. oben S. 40; [Was ist RE?] Der lautet: [^ ] {2;}, und der SQL-Befehl für das Ersetzen lautet: 'DB.Execute ('UPDATE Wortfolgen SET Wortfolgen.Synonym = SuchenUndErset-zen([Synonym],' ... ',' [^ ]{2;} ') WHERE (((Wortfolgen.Synonym) Like '*... *'));') wobei 'SuchenUndErsetzen' eine eigene Funktion ist, die in
INSERT INTO Wortfolgen ( Wortfolge, Synonym ) SELECT First(Wortfolgenkonkordanzen.Wortfolge) AS [ErsterWert von Wortfolge], Wortfolgenkonkordanzen.Synonym FROM Wortfolgenkonkordanzen GROUP BY Wortfolgenkonkordanzen.Synonym ORDER BY First(Wortfolgenkonkordanzen.Wortfolge);[x]
DB.Execute ('UPDATE Wortfolgen SET Wortfolgen.LängeWörter = TextelementeAnzahl([Wortfolgen]![Wortfolge],' ')+1;')[x]
DB.Execute ('UPDATE Wortfolgen INNER JOIN Wortfolgenkonkordanzen ON Wort-folgen.Synonym = Wortfolgenkonkordanzen.Synonym SET Wortfolgenkonkordanzen.Wortfolge_Nr = Wortfolgen.Wortfolge_Nr;')[x]
Zu jeder Wortfolge in dieser Tabelle "WortfolgenUndTexte" kann ich nun durch eine ganz einfache Abfrage alle Texte finden, die sie überliefern.[16] Das sind die gesuchten Textgruppen. Da sich die Daten nicht mehr ändern, kann ich die Textgruppen fest in eine neue Tabelle "Textgruppen" schreiben; das spart bei künftigen Berechnungen Rechenleistung.[17] Ich frage zu jeder Wortfolge aus der Tabelle "Wortfolgen" die zugehörigen Text-Nummern als alphabetisch sortierte Aufzählung ab und fülle damit die zweite Spalte der neuen Tabelle, in der ersten sollen die Textgruppen eindeutig numeriert werden. Fast alle Textgruppen verdanken sich nicht nur einer sondern mehreren Wortfolgenkonkordanzen, daher gibt es unter ihnen noch Duplikate, die sich aber leicht ausblenden lassen. In einer zusätzlichen Spalte der Tabelle "Wortfolgen" verweise ich dann auf die Nummern der zugehörigen Textgruppen.
Die Zahl der zugehörigen Texte und die Nummern der zugrundeliegenden gemeinsamen Wortfolgen ebenfalls als sortierte Zeichenkette kann ich nun dank der Beziehungen zwischen den Tabellen problemlos feststellen und in zusätzliche Spalten der Textgruppen-Tabelle eintragen lassen.[18]
Um die Textgruppen nun gleich zu einer Kette zusammensetzen zu können, muß zuvor bekannt sein, welche Textgruppen Teilmengen von anderen sind. Das herauszufinden ist wieder etwas aufwendiger, es geht nicht per SQL-Befehl, sondern nur mithilfe einer Prozedur. Die vergleicht jede Textgruppe mit allen anderen, die größer sind als sie selbst, und sucht aus diesen alle heraus, in denen sämtliche Mitglieder der kleineren enthalten sind. Sie legt ihre Ergebnisse (Textgruppe_Nr und Nummer der möglichen Vater-Textgruppe) in der neuen Tabelle "Textgruppenbeziehungen" ab.
Die gleiche Prozedur habe ich auch auf die Wortfolgen angewendet, um auch von diesen zu wissen, welche kürzeren möglicherweise Teilstücke von längeren sind (wobei natürlich die Reihenfolge der Wörter zu berücksichtigen war).
Abbildung 1 gibt nun einen Überblick über alle Tabellen, wie sie als Ergebnis der Normalisierung und Feststellung der internen Beziehungen zwischen Textgruppen und Wortfolgen miteinander verknüpft sind. Die Zeichen "1" und "∞" an den Enden der Beziehungslinien charakterisieren die verschiedenen Seiten von 1:n-Beziehungen, also Beziehungen, die genau einen Datensatz in der einen Tabelle mit einem oder mehreren Datensätzen in der anderen verknüpfen. Für alle diese 1:n-Beziehungen stellt das DMS übrigens die "referentielle Integrität" sicher, das heißt, es wacht darüber, daß auf der n-Seite kein Wert eingetragen wird, der auf der 1-Seite nicht schon vorhanden sind.
Die Verwandtschaftswahrscheinlichkeit und noch einige zusätzliche Kenndaten zu ihr erhalte ich nun sehr leicht durch Abfragen, die die Beziehungen zwischen den Tabellen nutzen, um pro Textgruppe die Daten der zugehörigen Wortfolgen[19] und der zugehörigen Texte[20] auszuwerten und beides zusammenfügen.[21]
Es ergeben sich für die Verwandtschaftswahrscheinlichkeit Werte von 0,964 bis 0,00286. Die Gesamtkonkordanzenlänge schwankt zwischen 6743 und 2. Die Anzahl Wortfolgenkonkordanzen liegt zwischen 594 und 1. Die grösste Wortfolgenkonkordanzlänge reicht von 485 bis 2, die kleinste von 47 bis 2 und die mittlere von 102,231 bis 2.
Die Textgruppe mit der größten Gesamkonkordanzenlänge hat auch die meisten Wortfolgenkonkordanzen sowie insgesamt die höchste Verwandtschaftswahrscheinlichkeit: Roma S. Spirito 1316—Roma S. Spirito 1564. Die Textguppe mit der längsten Wortfolgenkonkordanz hat auch die höchste mittlere Wortfolgenkonkordanzlänge: Bruxelles 1211—Bruxelles 1223.
Damit ist alles vorbereitet für die Rekonstruktion der Verwandtschafts-Ketten Ich beginne mit den kleinsten Textgruppen und beziehe nach und nach immer größere ein. Komme ich zu einer Textgruppe, die ganz neu ist, lasse ich sie unten hinzufügen; steht eines ihrer Elemente bereits in der Liste, füge ich diese Gruppe nicht unten an, sondern verbinde das oder die noch nicht vorhandenen Elemente direkt mit dem schon vorhandenen. Soweit folge ich der Vorgehensweise SALEMANS'.
Anders als er, bewerte ich aber die Textgruppen nach ihrer Verwandtschaftswahrscheinlichkeit. Die Liste, aus der ich die Textgruppen an die Kette anfüge, habe ich außer nach zunehmender Gruppengröße auch nach abnehmender Verwandtschaftswahrscheinlichkeit sortieren lassen.
Das Zusammenfügen der Kette wäre sicher auch völlig automatisierbar, da es sich bei mir aber nur um 55 Texte handelt, mache ich es "halbautomatisch".
Alle 55 Texte lassen sich aus Zweier-Textgruppen einfügen;[22] größere Textgruppen brauche ich also gar nicht zu berücksichtigen. Um jeden Text entsprechend seiner größten Verwandtschaftswahrscheinlichkeit nur einmal an die Kette anzufügen, lasse ich mir also eine nach fallender Verwandtschaftswahrscheinlichkeit sortierte Liste der Zweier-Textgruppen anzeigen, in der jeder Text nur einmal vorkommt und zu jedem Text nur die Textgruppe mit der höchsten Verwandtschaftswahrscheinlichkeit angezeigt wird. In dieser Liste lasse ich Textgruppen, die völlig neu sind, an ihrem Platz stehen, aber Textgruppen, von denen ein Element bereits weiter oben vorgekommen ist, verschiebe ich unter die Textgruppe, zu denen sie gehören und rücke sie dort um einen Tabulatorschritt ein.
Das führt nicht zu einer zusammenhängenden Kette, sondern zu 8 Teilketten.
Die meisten Texte (37 von 55) haben sich als Glieder von Ketten erwiesen, die jedenfalls im jeweiligen Zentrum sehr stark zusammenhängen. Querverbindungen zwischen Ketten gibt es erst unterhalb einer Verwandtschaftswahrscheinlichkeits-Schwelle von ca. 3. Die beiden Ausnahmen von dieser Regel sind Brüssel 1211—Herentals und Brügge B'—Kiel mit Verwandtschaftswahrscheinlichkeiten von 68 bzw. 43.
Die Auffassung, daß alle Hospitalregeln auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen, kann nach dieser Erkenntnis nicht mehr bestehen bleiben. Stattdessen scheinen gewisse Gruppen von Hospitaregeln je für sich einen gemeinsamen Ursprung haben.
Einige Texte hängen nur lose mit den übrigen zusammen. Ihre nächsten Verwandten sind vielleicht nur nicht mehr vorhanden oder noch nicht aufgefunden. Ich habe sie vorläufig als "Pseudo-Kette" zusammengestellt.
Die Zahlen zwischen den Regelnamen in den folgenden Schaubildern und die in Klammern im Text geben die Verwandtschaftswahrscheinlichkeit an.
In dieser Gruppe befindet sich zwar mit einem Wert von 96 die größte Verwandtschaftswahrscheinlichkeit, die überhaupt gefunden werden konnte; das überrascht allerdings nicht, denn daß Roma S. Spirito 1316 die Vorlage für Roma S. Spirito 1564 gewesen ist, stand nie in Frage. Wirklich bemerkenswert ist hingegen, daß die beiden anderen Texte in dieser Gruppe, die Johanniterregel und Aubrac, weit schwächer mit den übrigen Kettengliedern verwandt sind. LE GRANDs Auffassung, daß die Johanniterregel die Vorlage aller europäischen Hospitalregeln gewesen sei, ist nach diesem Befund darauf zu reduzieren, daß sie es in gewissem Maß für die Regel des römischen Heilig-Geist-Hospitals gewesen ist, und für sonst keine.
Die zweitengste Verwandtschaft nach der zwischen den beiden römischen Texten ist die zwischen den beiden Versionen der Regel des Brüsseler St.-Johannes-Hospitals. Auch das überrascht nicht; es bestätigt höchstens, daß die angewendete Meßtechnik zuverlässig arbeitet.
Fast genauso eng ist die Verwandtschaft zwischen den Regeln von Antwerpen O.L.V. und Herentals. Herentals ist der nächste Verwandte von Enghien und von Geel. Geel wiederum ist der engste Verwandte von s' Hertogenbosch. Antwerpen dagegen der engste des Hospitals St. Gertrud in Brüssel, das seinerseits der engste Verwandte von Aalst O.L.V. ist. Alle diese Regeln sind auch mit den beiden Versionen von Brüssel St. Johannes verwandt, aber für keinen von ihnen ist einer dieser Brüsseler Texte der nächste Verwandte. Am ehesten für Herentals: es ist an den älteren Brüsseler Text mit 68 Punkten gebunden, nur 10 Punkte schwächer als die Bindung an Antwerpen. Auf die "starken Querverbindungen" komme ich später noch zurück.
Auch hier liegen wieder zwei Teilketten mit einer ziemlich starken Querverbindung vor.
Kernbereich der älteren Teilkette sind Brugge 1188 und die Bearbeitungen dieses Textes durch mehrere Hände bis hin zu Brugge Bg., zwei Textstufen, deren Verwandtschaft meine Untersuchungstechnik mit 73 beziffert., Brugge B' (64) und schließlich Gent 1196 (28) hinzu. der jüngeren Lübeck 1263—Kiel (74)., Später stoßen Lübeck 1294 (69)Die Querverbindung Brugge B'—Kiel (43) ist sogar stärker als die ketteninterne Verbindung von Brugge B' zu Gent; nur ist nur für keine der beiden stärkste Verwandtschaftswahrscheinlichkeit, Gents nächster Verwandter ist eben Brugge B'. Bis herunter zum Wahrscheinlichkeitswert 3 liegen alle Verwandtschaftsbeziehungen dieser Texte innerhalb der beiden Ketten, darunter kommen dann auch Verbindungen zu Kette 6 (Gautier de Marvis, s.u.) vor.
Unter diesen Texte aus einigen Bischofsstädten in Nordfrankreich besteht die stärkste Verwandtschaftswahrscheinlichkeit zwischen Beauvais und Noyon. Es folgt der Text aus Amiens und dann als Brückenglied zu anderen Ketten der von Abbeville. Praeceptum ist ein Teil der Augustinerregel, ich habe ihn in den Vergleich einbezogen, weil die Vorbildfunktion dieser Regel für die Hospitäler so oft betont worden ist. Er hat seine meisten Übereinstimmungen mit Abbeville.
Es gibt zwei Ausnahmen von der Regel: Nur diese beiden Querverbindungen zwischen Ketten haben wirklich große Verwandtschaftswahrscheinlichkeiten:
Die Teilketten Brüssel 1211-1223 und Herentals-Antwerpen-Brüssel St. Gertrud-Aalst-Geel-Enghien-s'Hertogenbosch möchte man aufgrund der Verbindung zwischen Herentals und Brüssel 1211 (Verwandtschaftswahrscheinlichkeit 68) als eine einzige Kette auffassen; zumal sie auch in demselben geographischen Raum beheimatet sind.
Brugge/Gent und Lübeck/Kiel sind im Vergleich mit der Brüssel-Brabanter Kette, trotz der immer noch hohen Verwandtschaftswahrscheinlichkeit zwischen Brugge B' und Kiel von 43, zwei deutlicher verschiedene Teile einer Gruppe. Auch geographisch sind sie ja deutlich voneinander geschieden.
Von diesen beiden abgesehen, bestehen die relativ stärksten Querverbindungen zwischen Texten, die an ihre eigene Kette mit relativ geringer Wahrscheinlichkeit angeschlossen sind. Diese "Brückentexte" sind offenbar in ihrem jeweiligen Kontext besonders alte oder besonders junge Texte, die für. Solche Brückentexte sind vor allen:
Mit wenig "Handarbeit" ? Um kettenübergreifende Wortfolgenkonkordanzen zu finden, habe ich die Tabellen "Textgruppen" und "Wortfolgen" nach Textgruppen abgefragt, die sowohl einen Text aus einer als auch einen aus einer anderen Textgruppe enthalten, also zum Beispiel "Antwerpen UND Brügge B'". Dabei habe ich zuerst Kerntexte (Antwerpen, Brüssel 1211, Brügge B', Cambrai S. Jean, eingegeben, anschliessend dann auch Brückentexte. Die Nummern der so gefundenen Wortfolgenkonkordanzen habe ich in einer Hilfstabelle gespeichert, um auf sie später jederzeit wieder zugreifen zu können.
pro qualibet … horarum
ist gemeinsamer Bestandteil der Brüssel-Brabanter Kette (ohne Aalst) mit Brügge B'-Gent und Kiel-Lübeck. Auffällig ist, daß die älteste Brügger Fassung loco cuiuslibet horę
geschrieben hatte und der Bearbeiter Bg diesen Text unterpungiert und durch die Brüssel-Brabanter Formulierung ersetzt hat.
usque ad festum … Martini
ist nur der Brügge-Genter Teilkette und der Brüssel-Brabanter Doppelkette gemeinsam; es kommt nicht in Kiel-Lübeck vor.
sub stola, res suas
und sub testimonio … magistro
verbinden die Brüssel-Brabanter Kette mit der zweiten Fassung aus Brügge (B') sowie Gent und der Kiel-Lübecker Teilkette.
Infirmus … recipiatur
kommt in Abbeville und Cambrai S. Jean-Lessines vor, es fehlt jedoch in Noyon-Beauvais-Amiens und Paris.
Die Wortfolgenkonkordanzen zu diesem Thema verbinden alle die Picardie-Texte und Rom-Jerusalem mit Cambrai-Lessines:
Et quicquid in ejus desiderium venerit si tamen
und quod non sit ei contrarium secundum posse domus
und noch drei kleinere Wortfolgen verbinden die Ketten Noyon-Beauvais-Amiens mit Cambrai S. Jean-Lessines.quasi dominus domus … antequam fratres comedant
verbindet dieselben beiden Ketten, kommt jedoch nicht mehr in Lessines vor, dafür zusätzlich in Paris.dominus domus
steht in denselben beiden Ketten, auch wieder in Lessines, dazu in Paris, S. Pol und Troyes.secundum posse
und posse domus
kommen ebenfalls in diesen Texten vor, dazu jedoch noch in Jerusalem, den beiden Versionen von Rom, S. Spirito, und Troyes; die erste Wortfolge auch noch in Gent Lepros. antequam fratres
ist gemeinsamer Bestandteil von Noyon/Amien/Beauvais, Cambrai/Lessines, Jerusalem/Rom und kommt außerdem in Angers, Paris und Troyes vor.sanitati restituatur
steht in Noyon/Beauvais/Amiens sowie in Cambrai S. Jean/Lessines sowie in Paris und Troyes.Nullus fratrum … sororum extra domum suam
und die ähnliche Wortfolge Nullus fratrum vel sororum … domum
verbinden die Ketten Brüssel/Brabant und Cambrai S. Jean/Cambrai S. Julien/Lessines, wobei die zweite Version im Gegensatz zur ersten auch Brüssel 1223 und sogar noch Coëffort umfaßt.
non coloratis fratres … sorores
verbindet dieselben Ketten wie die Bestimmungen über Ausgang, umfaßt jedoch nicht Coëffort.
refectorium dormitorium et … officinas
kommt ebenfalls in denselben Ket-ten vor wie die Bestimmungen über den Ausgang, jedoch noch nicht in Brüssel 1211.
sorores a fratribus
und fratres a sororibus
verbindet dieselben Texte (die zweite Wortfolge fehlt allerdings in Herentals) und zusätzlich s'Hertogenbosch.
Pro … autem furto
und jejunio unius … in pane et aqua punietur
scheinen die Brüssel-Brabanter Kette mit bestimmten Gliedern der Brügge-Gent-Kiel-Lübecker Doppelkette zu verbinden, nämlich Brügge B' und Gent, die zweite Wortfolge kommt auch noch in Aalst und den beiden Lübecker Texten vor, in Kiel jedoch nicht. Die Wortfolgen stehen jedoch in den verschiedenen Ketten jeweils in anderem Zusammenhang und können deshalb nichts über Verwandtschaft sagen.
Nennung des Patrons des Hauses: beati iohannis
kommt selbstverständlich kettenübergreifend in den Texten vor, die aus St.-Johannis-Hospitälern stammen: alle Brügger Texte - nicht die Lübecker - in dem aus Gent, denen aus Brüssel S.Jean und dem aus Jerusalem.
Bestimmungen über die Speisung der Kranken verbinden die Hospitalregeltexte aus der Picardie mit denen aus Cambrai/Lessines. Zum Teil beziehen sie auch Paris, Troyes, Jerusalem und Rom ein. Diese Verbindungen dürften den Anlaß dazu gegeben haben, die Jerusalemer Regel als Vorbild aller anderen hinzustellen.
Bestimmungen über Aufnahme und den Verbleib des Eigentums der Kranken sowie diejenigen über Kleidung, Ausgang und getrennte Räume verbinden die Brüssel/Brabanter Kette mit Cambrai/Lessines. Sie stehen in Cambrai S. Jean vor denjenigen, die mit den Picardie-Texten zusammenhängen.
Einige Bestimmungen über das Stundengebet und über Strafen verbinden die Brüssel/Brabanter Kette mit mehr oder weniger großen Teilen der Brügge/Lübecker.
Andere Strafbestimmungen verbinden Abbeville nur mit den Brügger Texten ohne ihre Genter und Lübecker Verwandten.
Jerusalem und Rom gehören mithin am ehesten zur Verwandt-schaft der Picardie-Gruppe. Brüssel/Brabant hat wie die Picardie-Gruppe Verbindungen zu Cambrai/Lessines. Direkte Verbindungen zur Picardie hat Brüssel/Brabant nicht. Dagegen hat es direkte Ver-bindungen zu den jüngeren Texten der Brügge/Gent-Gruppe sowie der Lübeck-Kiel-Gruppe.
Es ergibt sich ein klares Bild:
1. Alle kettenübergreifenden Wortfolgenkonkordanzen verbinden
- entweder die Picardie-Texte mit Cambrai-Lessines
- oder Cambrai-Lessines mit Brüssel-Brabant
- oder Brüssel-Brabant mit Brügge-Lübeck.
Direkte Verbindungen zwischen Brüssel-Brabant und den Picardie-Texten fehlen;
ebenso wie direkte Verbindungen zwischen Brügge-Lübeck und den Picardie-Texten.
2. Wortfolgenkonkordanzen zwischen denselben Ketten handeln auch von denselben Themen. Diese Themen sind:
Versteht man die kettenübergreifenden Wortfolgenkonkordanzen als mögliche Spuren von Text-Traditionen und prüft nun, ob die Stellen, die durch Wortfolgenkonkordanzen verknüpft sind, auch inhaltlich tatsächlich Textwanderungsspuren enthalten. Die wenigen Wortfolgen, die quer zu Ketten übereinstimmen, bezeugen direkt europäische Wechselwirkungen in der ältesten Hospitalgeschichte. Sie werte ich deshalb im folgenden genau aus, um die Textelemente zu finden, die von Region zu Region gewandert sind.
[muß überarbeitet werden]
Mit dem Wissen, welche Texte wahrscheinlich am engsten miteinander verwandt sind, können wir, von sicher datierten Texten ausgehend, mit Hilfe des Handschriftenbefunds jüngere von älteren Textschichten unterscheiden und aus dem Aufbau Schlüsse auf die Entstehungsgeschichte versuchen.
Ich beginne mit der Gruppe, aus der wir die meisten sicher datierten Originalurkunden haben, Brügge–Gent–Lübeck–Ieper–Kiel.
BRGa, 1. Hand | Abschnitt | GEN |
Protokoll | Urkundenformular | Protokoll |
- | Besitzverzicht, Versorgung | Besitzverzicht und Versorgung |
Teil-Besitzverzicht | Gebete Tagzeiten | Kopfteil: Geistliche Werke der Brüder und Schwestern |
Gebete Tagzeiten (pro incolumitate+pro benefactoribus) |
- | ~ auch von Kranken | |
Fasten | Fasten | |
Fasten Spezial | Fasten Spezial (est) |
|
Fasten Ausnahmen [bis hier kein Zeilenwechsel, danach 2-3 Leerzeilen] |
Fasten Ausnahmen (magistro domus) |
|
Wein [danach 2 Leerzeilen] |
Gemeinsame Mahlzeiten der Brüder und Schwestern |
Wein |
Fleisch | Fleisch (dominica) |
|
Essen auswärts [danach 2 Leerzeilen] |
Essen auswärts a fidelibus hospitio |
|
Schweigen bei Tisch | Schweigen bei Tisch uel inter se uel magistro |
|
Mahlzeiten pro Tag [danach 2 Leerzeilen] |
Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem uel nisi missa sit eis aliqua elemosina |
|
Eintritt postea mutata sententia |
Eintritt und Arbeit | Eintritt facta professione |
Aufnahme und Speisung von Peregrini recipietur | dabitur [danach 1 Leerzeile] |
Aufnahme und Speisung von Peregrini caritatiue recipietur | caritas eiusdem loci materfamilias prouidebit |
|
Krankenkost si ullo modo perquiri poterunt |
Krankenkost siquo modo inueniri potuerint |
|
Unbefugtes Verlangen =>2 T. Wasser&Brot |
Strafen i.Zshg.m. Essen | Unbefugtes Verlangen =>2 T. Wasser&Brot |
Essen verwerten =>dito, öfter=>Rauswurf [danach 1 Leerzeile] |
Essen verwerten =>1 T., furtive 3 T. Wasser&Brot, öfter=>Rauswurf |
|
- | Nachtrag zu Gemeinsame Mahlzeiten |
Vorzugskost Priester |
- | Vorzugskost allgemein | |
Diebstahl=>je nach Schwere unverbesserlich=>Rauswurf |
Sonstige Strafen | Diebstahl=>mind. 1 T. Fasten je nach Schwere unverbesserlich=>Rauswurf ne domus per eum detrimentum patiatur |
BösesWort=>am Boden essen [Rest der Zeile leer] |
BösesWort=>am Boden essen auch bei Wasser&Brot-Strafe |
|
Fornicatio=>dito + Schläge | Fornicatio=>am Boden essen + Schläge | |
Verheiratete [Bedingung offen und 1 Zeile leer gelassen] |
Erweiterte Beitrittsmöglichkeiten |
Verheiratate I |
Reiche | Verheiratete II | |
- | Habitus, Ausgang | Kleider und Schuhe |
- | Einladungen zu Bekannten | |
- | Haus-Ordnung | Gehorsam dem Meister |
- | Lebenswandel der Bediensteten | |
- | Externe Pfründner | |
- | Besitzverzicht Kranke | Krankenaufnahme m. Beichte&Besitzverzicht |
Eschatokoll | Urkundenformular | Eschatokoll |
Abschnitt | GEN | BRG1, 1. Hand (BRGa) | BRG1, erwartete Nachträge (BRGb bis BRGf) | BRG1, Interlinearbearbeitung (BRGg) | BRG2 |
Urkundenformular | Protokoll | Protokoll | Protokoll | ||
Vorbedingung | Besitzverzicht und Versorgung | - | - | Besitzverzicht und Versorgung | |
Teil-Besitzverzicht | - | - | - | ||
Fromme Werke | Gebete Tagzeiten (pro incolumitate+pro benefactoribus) | Gebete Tagzeiten (pro benefactoribus) | korr. loco cuiuslibet hore zu pro qualibet vii horarum | wie BRGg | |
~ auch von Kranken | - | wörtlich wie GEN | |||
Fasten | Fasten | <|:I:|tem> . unterstrichen | Fasten (<|:I:|tem> . fehlt) | ||
Fasten Spezial (est) | Fasten Spezial (sit) | Fasten Spezial (sit) | |||
Fasten Ausnahmen (magistro domus) | Fasten Ausnahmen (magistro) | domus üb.d.Z. | Fasten Ausnahmen (sacerdoti suo) | ||
- | [2-3 Leerzeilen] | Totengebete | Totengebete | ||
Gemeinsame Mahlzeiten | Wein | Wein | Wein | ||
[2 Leerzeilen] | |||||
Fleisch (dominica) | Fleisch (in dominica) | Fleisch (in dominica) | |||
Essen auswärts (a fidelibus hospitio) | Essen auswärts (in hosspiciis fidelium) | Essen auswärts (in hosspiciis fidelium) | |||
[2 Leerzeilen] | |||||
Schweigen bei Tisch uel inter se uel magistro | Schweigen bei Tisch excepto magistro | vel magistro vel inter se üb.d.Z. | Schweigen bei Tisch vel magistro inter se | ||
Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem uel nisi missa sit eis aliqua elemosina | Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem . vel missam aliquam presentationis elemosinam | propter üb.d.Z. vor missam | Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem vel propter missam aliquam elemosinam | ||
- | [2 Leerzeilen] | BRGb: Gehorsam=keine Wanderschaft | Gehorsam=keine Wanderschaft | ||
Eintritt und Arbeit | Eintritt facta professione | Eintritt postea mutata sententia | post professionem factam | post professionem factam | |
Aufnahme und Speisung von Peregrini caritatiue recipietur caritas eiusdem loci materfamilias prouidebit |
Aufnahme und Speisung von Peregrini recipietur dabitur |
caritatiue üb.d.Z. vor recipietur caritas eiusdem domus providebit |
Aufnahme und Speisung von Peregrini caritatiue recipietur caritas eiusdem domus providebit |
||
- | [1 Leerzeile] | ||||
Krankenkost siquo modo | Krankenkost si ullo modo | commode nach modo üb.d.Z. | Krankenkost si ullo modo commode | ||
Strafen i.Zshg.m. Essen | Unbefugtes Verlangen=>2 T W&B | Unbefugtes Verlangen=>2 Tage Fasten bei Wasser und Brot | Unbefugtes Verlangen=>2 T W&B | ||
Essen verwerten=>1 bzw 3 T. dito, bei Wdh. Rauswurf | Essen verwerten=>2 T. dito, bei Wdh. Rauswurf | panem durch cibum vel potum ersetzt | et comprobatus fuerit hinzugefügt | Essen verwerten=>2 T. dito, bei Wdh. Rauswurf wie BRGg | ||
- | [1 Leerzeile] | BRGc: Externe Schläger => Rauswurf | - | ||
Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf ne domus per eum detrimentum patiatur | Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf | ne domus per eum detrimentum patiatur in leerem Zeilenrest hinzugefügt | Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf ne domus per eum detrimentum patiatur | ||
noch zu Gemeinsame Mahlzeiten | Vorzugskost Priester | - | - | ||
Vorzugskost allgemein | - | - | |||
Sonstige Strafen | BösesWort => am Boden essen | BösesWort => am Boden essen | + | + | |
- | [Rest der Zeile leer] | BRGd: Percussor=>zusätzl. Schläge | + | + | |
Fornicatio=>am Boden essen + Schläge | Fornicatio=>am Boden essen + Schläge | + | + | ||
- | [Rest der Zeile leer] | BRGe: vel infantem genuerit…=>Rauswurf bedingt | Si vero secundo infantem genuerit…=>Rauswurf unbedingt | * | |
Erweiterte Beitrittsmöglichkeiten | Verheiratate I | Verheiratete [Bedingung offen gelassen] | + | + | |
[1 Zeile leer gelassen] | BRGf: [Bedingung nachgetragen] | [Bedingung bekräftigt; wörtlich = GEN] | + | ||
Verheiratete II | Reiche | + | + | ||
Habitus, Ausgang | Kleider und Schuhe | Kleider und Schuhe | + | ||
Einladungen zu Bekannten | Einladungen zu Bekannten | + | |||
Haus-Ordnung | Gehorsam dem Meister | - | Gehorsam dem Meister | ||
Lebenswandel der Bediensteten | - | Lebenswandel der Bediensteten | |||
Externe Pfründner | - | - | |||
Besitzverzicht Kranke | Krankenaufnahme m. Beichte&Besitzverzicht | - | Krankenaufnahme m. Beichte&Besitzverzicht | ||
Urkundenformular | Eschatokoll | Eschatokoll | + | Eschatokoll |
BRGa, 1. Hand | Abschnitt | GEN |
Protokoll | Urkundenformular | Protokoll |
- | Besitzverzicht, Versorgung | Besitzverzicht und Versorgung |
Teil-Besitzverzicht | Gebete Tagzeiten | Kopfteil: Geistliche Werke der Brüder und Schwestern | Gebete Tagzeiten (pro incolumitate+pro benefactoribus) |
- | ~ auch von Kranken | |
Fasten | Fasten | |
Fasten Spezial | Fasten Spezial (est) |
|
Fasten Ausnahmen [bis hier kein Zeilenwechsel, danach 2-3 Leerzeilen] |
Fasten Ausnahmen (magistro domus) |
|
Wein [danach 2 Leerzeilen] |
Gemeinsame Mahlzeiten der Brüder und Schwestern |
Wein |
Fleisch | Fleisch (dominica) |
|
Essen auswärts [danach 2 Leerzeilen] |
Essen auswärts a fidelibus hospitio |
|
Schweigen bei Tisch | Schweigen bei Tisch uel inter se uel magistro |
|
Mahlzeiten pro Tag [danach 2 Leerzeilen] |
Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem uel nisi missa sit eis aliqua elemosina |
|
Eintritt postea mutata sententia |
Eintritt und Arbeit | Eintritt facta professione |
Aufnahme und Speisung von Peregrini recipietur | dabitur [danach 1 Leerzeile] |
Aufnahme und Speisung von Peregrini caritatiue recipietur | caritas eiusdem loci materfamilias prouidebit |
|
Krankenkost si ullo modo perquiri poterunt |
Krankenkost siquo modo inueniri potuerint |
|
Unbefugtes Verlangen =>2 T. Wasser&Brot |
Strafen i.Zshg.m. Essen | Unbefugtes Verlangen =>2 T. Wasser&Brot |
Essen verwerten =>dito, öfter=>Rauswurf [danach 1 Leerzeile] |
Essen verwerten =>1 T., furtive 3 T. Wasser&Brot, öfter=>Rauswurf |
|
- | Nachtrag zu Gemeinsame Mahlzeiten |
Vorzugskost Priester |
- | Vorzugskost allgemein | |
Diebstahl=>je nach Schwere unverbesserlich=>Rauswurf |
Sonstige Strafen | Diebstahl=>mind. 1 T. Fasten je nach Schwere unverbesserlich=>Rauswurf ne domus per eum detrimentum patiatur |
BösesWort=>am Boden essen [Rest der Zeile leer] |
BösesWort=>am Boden essen auch bei Wasser&Brot-Strafe |
|
Fornicatio=>dito + Schläge | Fornicatio=>am Boden essen + Schläge | |
Verheiratete [Bedingung offen und 1 Zeile leer gelassen] |
Erweiterte Beitrittsmöglichkeiten |
Verheiratate I |
Reiche | Verheiratete II | |
- | Habitus, Ausgang | Kleider und Schuhe |
- | Einladungen zu Bekannten | |
- | Haus-Ordnung | Gehorsam dem Meister |
- | Lebenswandel der Bediensteten | |
- | Externe Pfründner | |
- | Besitzverzicht Kranke | Krankenaufnahme m. Beichte&Besitzverzicht |
Eschatokoll | Urkundenformular | Eschatokoll |
Erwartete Nachträge in Leerzeilen, kursive Bearbeitungen zwischen den Zeilen - durch den seltenen Glücksfall einer Urkunde, die das alles zeigt, kann man an dem Brügger Text gut verschieden alte Schichten erkennen. Was von der ersten Hand stammt, betrifft die gemeinsame Lebensform der Brüder und Schwestern, nämlich zunächst ihre freiwillig auferlegten Bußübungen - Stundengebete, Fasten -, dann ihre gemeinsamen Mahlzeiten, in der Mitte die Prozedur des Eintritts und ihre soziale oder karitative Arbeit, schließlich Strafen für Fehlverhalten und zuletzt außerordentliche Beitrittsmöglichkeiten.
Der erste Schreiber der Brügger Original-Urkunde von 1188 hat im Kopfteil Invokatio, Überschrift und die ersten zwei Kapitel ohne größere Lücken oder Zeilenwechsel aneinander geschrieben. Themen dieser zwei ersten Kapitel sind fromme Werke, zu denen sich die Gemeinschaft verpflichtet: erstens Gebete zu den sieben Tagzeiten und zweitens Fasten zu bestimmten Zeiten im Jahr mitsamt Spezial- und Ausnahme-Regelungen. Außer dem ersten, das mit Iuxta numerum anfängt, beginnt jedes Kapitel mit Item.
Nach diesem Kopfteil hat er zwei Zeilen leer gelassen und dann jedes Kapitel auf einer neuen Zeile begonnen. Die drei folgenden Kapitel handeln, anschließend an die Fasten-Regeln, von den gemeinsamen Mahlzeiten: (wie Wein verteilt wird oder irgend etwas, wovon nicht genug für alle da ist, wann es Fleisch gibt und was man auswärts ißt, das Schweigen bei Tisch und wieviel Mahlzeiten pro Tag) man einnimmt. Nach jedem dieser drei Kapitel über das gemeinsame Essen hat er zwei Zeilen leer gelassen.
Darüber, ob Leerzeilen und fehlende Leerzeilen bedeuten, daß der ursprüngliche Schreiber zu bestimmten Themen zu Zufügungen einladen, zu anderen solche verhindern wollte, kann man spekulieren. Ausgegangen ist die Sache aber so, daß vor allem ganz oben und noch mehr ganz unten etwas hinzugefügt wurde, wo er gerade keine Leerzeilen gelassen hatte.
Fortan beginnen fast alle Kapitel mit Item. Siquis, also einem Konditionalsatz, der einen Fall bezeichnet, für den dann der zweite Teil des Satzes eine Bestimmung trifft. Zunächst handeln drei Kapitel vom Eintritt in die Gemeinschaft (Probezeit, und wer letztlich entscheidet) und der gemeinsamen Arbeit (Pilger eine Nacht beherbergen und verpflegen und Armen und Kranken gutes Essen, bei Bedarf nach Wunsch, reichen). Nach diesen drei Kapiteln ist je eine Leerzeile gelassen.
Anschließend an die besseren Speisen der Kranken, werden dann in drei Kapiteln Verfehlungen (von unbegründetem Verlangen nach besseren Krankenspeisen über Essenswegnahme vom Tisch, Diebstahl, Beleidigungen, Schläge, gesteigert bis zu Unkeuschheit mit Zeugung eines Kindes) und Strafen (bei Wasser und Brot fasten, am Boden essen, Peitschenhiebe, Rauswurf) aufgezählt. Zwischen diesen drei Kapiteln sind keine Leerzeilen gelassen, nur danach eine; Leerräume zwischen den Kapiteln entstanden trotzdem dadurch, daß nach jedem in eine neue Zeile gewechselt wurde..
Als letzte folgen zwei Kapitel über besondere Bedingungen, unter denen auch älteren Ehepaaren sowie auf ihren Besitz nicht ganz verzichtenden Reichen eine Art Teilhabe an der Gemeinschaft möglich sein sollte. Das erste von diesen beiden Kapiteln hat der Schreiber unvollendet und zwischen diesem und dem letzten wieder eine Zeile leer gelassen, danach, zwischen diesen beiden und den Urkunden-Schlußformeln jedoch keine mehr.
Dem Genter Regeltext auf der 1196 datierten Originalurkunde sieht man sein allmähliches Zustandekommen nicht an, denn er ist als Endfassung in einem Zuge von einer Hand geschrieben, Leerzeilen oder verschiedene Hände bleiben eine große Ausnahme des Brügger Textes von 1188. Verschiedene Inhaltsschichten sind aber auch in Gent zu erkennen: Als Kern zeigt er dieselben Inhalte in derselben Reihenfolge wie die brügger Erstfassung 1. Hand. Davor und danach und an einer Stelle mittendrin hat er jedoch zusätzliche Inhalte:
Ganz am Anfang, noch vor dem Kopfteil, direkt nach dem Protokoll, die grundsätzliche wirtschaftliche Haupt-Bedingung und -Folgewirkung des Eintritts: Man muß dem Haus seinen Besitz abtreten, dafür versorgt es einen in victu et vestitu competenter:
Im Textinnern zwei kurze Regeln über die Vorzugskost des Priesters und allgemein; das steht nicht inhaltlich passend bei der Regel, wie etwas, von dem nicht genug für alle da ist, verteilt werden soll, sondern nach der Strafe für Diebstahl Diebstahl und vor der Am-Boden-essen-Strafe:
Ganz am Schluß folgen nacheinander Aussehen und Ausgang der Brüder und Schwestern, Grundzüge einer auch Bedienstete und externe Pfründner mitumfassenden Hausordnung mit Kompetenzen und Pflichten, sowie eine Aufnahmebedingung auch für die Kranken: auch sie müssen beim Eintritt auf ihren Besitz verzichten:
Waren die älteren, uns aus Brügge bereits bekannten Inhalte auf das gemeinsame Leben der Brüder und Schwestern gemünzt, nehmen die neueren Kapitel das ganze Haus, seine Wirtschaft, Außenwirkung und seine verschiedenen Personengruppen in den Blick.
Bei den Brügge und Gent gemeinsamen Kapiteln gibt es zahlreiche Unterschiede durch einzelne andere Wörter oder anders gebaute Sätze. Mit denjenigen, bei denen das den Inhalt verändert, beschäftige ich mich gleich noch im einzelnen, die meisten sind aber rein stilistischer Art:
Daß die Genter Versionen gemeinsamer Kapitel öfters "aufgeräumter" und die Brügger im Vergleich "angestückelt" wirken, wird bei der Frage, welche älter ist, zu berücksichtigen sein. Eventuell ließe sich ja gar aus dem Brügger Text ein älterer Kern herausschälen, wenn man vermeintliche Erweiterungen ausblendet, aber dazu bräuchte es mMn noch mehr kräftige Indizien, die in diese Richtung weisen.
Bis auf wenige Ausnahmen sind all die stilistischen Besonderheiten nur dem Genter Text eigen und haben weder Parallelen in Fassungen des Brügger Textes, noch Spuren in Texten aus Lübeck, Ypern oder Kiel hinterlassen. Diese übernehmen die Brügger Formulierungen, auch wenn sie uns wie "schlechteres Latein" oder weniger klar erscheinen mögen.
<Abschnitt | GEN | BRGa | BRGb—BRGf | BRGg | BRG2 |
Urkundenformular | Protokoll | Protokoll | Protokoll | ||
Vorbedingung | Besitzverzicht und Versorgung | - | - | Besitzverzicht und Versorgung | |
Teil-Besitzverzicht | - | - | - | ||
Geistliche Werke | Gebete Tagzeiten (pro incolumitate+pro benefactoribus) | Gebete Tagzeiten (pro benefactoribus) | korr. loco cuiuslibet hore zu pro qualibet vii horarum | wie BRGg | |
~ auch von Kranken | - | wörtlich wie GEN | |||
Fasten | Fasten | <|:I:|tem> . unterstrichen | Fasten (<|:I:|tem> . fehlt) | ||
Fasten Spezial (est) | Fasten Spezial (sit) | Fasten Spezial (sit) | |||
Fasten Ausnahmen (magistro domus) | Fasten Ausnahmen (magistro) | domus üb.d.Z. | Fasten Ausnahmen (sacerdoti suo) | ||
- | [2-3 Leerzeilen] | Totengebete | Totengebete | ||
Gemeinsame Mahlzeiten | Wein | Wein | Wein | ||
[2 Leerzeilen] | |||||
Fleisch (dominica) | Fleisch (in dominica) | Fleisch (in dominica) | |||
Essen auswärts (a fidelibus hospitio) | Essen auswärts (in hosspiciis fidelium) | Essen auswärts (in hosspiciis fidelium) | |||
[2 Leerzeilen] | |||||
Schweigen bei Tisch uel inter se uel magistro | Schweigen bei Tisch excepto magistro | vel magistro vel inter se üb.d.Z. | Schweigen bei Tisch vel magistro inter se | ||
Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem uel nisi missa sit eis aliqua elemosina | Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem . vel missam aliquam presentationis elemosinam | propter üb.d.Z. vor missam | Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem vel propter missam aliquam elemosinam | ||
- | [2 Leerzeilen] | BRGb: Gehorsam=keine Wanderschaft | Gehorsam=keine Wanderschaft | ||
Eintritt und Arbeit | Eintritt facta professione | Eintritt postea mutata sententia | post professionem factam | post professionem factam | |
Aufnahme und Speisung von Peregrini caritatiue recipietur caritas eiusdem loci materfamilias prouidebit |
Aufnahme und Speisung von Peregrini recipietur dabitur |
caritatiue üb.d.Z. vor recipietur caritas eiusdem domus providebit |
Aufnahme und Speisung von Peregrini caritatiue recipietur caritas eiusdem domus providebit |
||
- | [1 Leerzeile] | ||||
Krankenkost siquo modo | Krankenkost si ullo modo | commode nach modo üb.d.Z. | Krankenkost si ullo modo commode | ||
Strafen i.Zshg.m. Essen | Unbefugtes Verlangen=>2 T W&B | Unbefugtes Verlangen=>2 Tage Fasten bei Wasser und Brot | Unbefugtes Verlangen=>2 T W&B | ||
Essen verwerten=>1 bzw 3 T. dito, bei Wdh. Rauswurf | Essen verwerten=>2 T. dito, bei Wdh. Rauswurf | panem durch cibum vel potum ersetzt | et comprobatus fuerit hinzugefügt | Essen verwerten=>2 T. dito, bei Wdh. Rauswurf wie BRGg | ||
- | [1 Leerzeile] | BRGc: Externe Schläger => Rauswurf | - | ||
Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf ne domus per eum detrimentum patiatur | Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf | ne domus per eum detrimentum patiatur in leerem Zeilenrest hinzugefügt | Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf ne domus per eum detrimentum patiatur | ||
noch zu Gemeinsame Mahlzeiten | Vorzugskost Priester | - | - | ||
Vorzugskost allgemein | - | - | |||
Sonstige Strafen | BösesWort => am Boden essen | BösesWort => am Boden essen | + | + | |
- | [Rest der Zeile leer] | BRGd: Percussor=>zusätzl. Schläge | + | + | |
Fornicatio=>am Boden essen + Schläge | Fornicatio=>am Boden essen + Schläge | + | + | ||
- | [Rest der Zeile leer] | BRGe: vel infantem genuerit…=>Rauswurf bedingt | Si vero secundo infantem genuerit…=>Rauswurf unbedingt | * | |
Erweiterte Beitrittsmöglichkeiten | Verheiratate I | Verheiratete [Bedingung offen gelassen] | + | + | |
[1 Zeile leer gelassen] | BRGf: [Bedingung nachgetragen] | [Bedingung bekräftigt; wörtlich = GEN] | + | ||
Verheiratete II | Reiche | + | + | ||
Habitus, Ausgang | Kleider und Schuhe | Kleider und Schuhe | + | ||
Einladungen zu Bekannten | Einladungen zu Bekannten | + | |||
Haus-Ordnung | Gehorsam dem Meister | - | Gehorsam dem Meister | ||
Lebenswandel der Bediensteten | - | Lebenswandel der Bediensteten | |||
Externe Pfründner | - | - | |||
Besitzverzicht Kranke | Krankenaufnahme m. Beichte&Besitzverzicht | - | Krankenaufnahme m. Beichte&Besitzverzicht | ||
Urkundenformular | Eschatokoll | Eschatokoll | + | Eschatokoll |
In einige der Leerräume der Brügger Erstfassung sind in Urkundenschrift Ergänzungen und zusätzliche Kapitel, sozusagen erwartete Nachträge, eingetragen worden.
Von allen diesen Nachträgen findet sich in dem Genter Text keine Spur. Mit Ausnahme dessen von BRGc sind in die Neufassung des Brügger Textes und in die Regeln von Lübeck, Ypern und Kiel aber alle eingegangen.
Nach dem erwarteten Nachtrag von BRGf ist eine kursiv schreibende Hand daran gegangen, den ganzen Text zwischen den Zeilen zu überarbeiten und auf verbliebenen Leerräumen zu erweitern, und zwar um drei neue Kapitel, eines anschließend an den Kopfteil, zwei zwischen vorletztem und letztem Kapitel auf den letzten freigelassenen Zeilen, diese nunmehr restlos ausfüllend:
Zum Kopfteil fügt BRGg Gebete für Tote hinzu; ein Kapitel ohne Entsprechung in Gent, das in Lübeck, Ypern und Kiel aber vorhanden ist.
Anschließend an das vorletzte Kapitel präzisiert BRGg zunächst noch einmal die Bedingungen für die Aufnahme Verheirateter, die bereits BRGf in einer freigelassenen Zeile ergänzt hatte: sie müssen bis an ihr Ende keusch leben, auch wenn eine(r) von ihnen gestorben ist, sonst dürfen sie mit der Gemeinschaft nicht zusammen leben. Genau mit den gleichen Worten wie in Gent, das dieses Kapitel deutlich kürzer hat. Direkt danach auf dem Rest der Leerzeilen fügt BRGg dann noch zwei Kapitel hinzu, die die Sichtbarkeit der Gemeinschaft in der Stadt angehen und uns aus Gent bekannt sind:
Schließlich hat man eine Neufassung der Brügger Urkunde von 1188 angefertigt, in der die erwarteten Nachträge außer BRGc, die kursiven Änderungen und Zufügungen von BRGg und zwischen Protokoll bzw Eschatokoll und Kontext endlich auch diejenigen Genter Kapitel, die BRGg auf der Urkunde von 1188 hinzuzufügen keinen Platz gefunden hatte:
Damit sind alle in Gent neu hinzugekommenen Kapitel auch in Brügge vorhanden, außer die über externe Pfründner und über den Priester.
In Ieper 1268 kam ganz am Anfang eine Numerus-clausus-Bestimmung hinzu. Dafür ist das Kapitel über den Eintritt weggefallen.
Auch weggefallen sind (nur hier, in Lübeck nicht): {Fasten Spezial} Weil Hospitalarbeit nicht mehr so als Buße aufgefaßt wurde??, Essen vom Tisch wegnehmen, Verheirtete, die Verlesung der Regel, Neuer Meister, Oberaufsicht, künftig und bfl Schutz.
Abschnitt | GEN | BRG1, 1. Hand (BRGa) | BRG1, erwartete Nachträge (BRGb bis BRGf) | BRG1, Interlinearbearbeitung (BRGg) | BRG2 |
Urkundenformular | Protokoll | Protokoll | Protokoll | ||
Vorbedingung | Besitzverzicht und Versorgung | - | - | Besitzverzicht und Versorgung | |
Teil-Besitzverzicht | - | - | - | ||
Fromme Werke | Gebete Tagzeiten (pro incolumitate+pro benefactoribus) | Gebete Tagzeiten (pro benefactoribus) | korr. loco cuiuslibet hore zu pro qualibet vii horarum | wie BRGg | |
~ auch von Kranken | - | wörtlich wie GEN | |||
Fasten | Fasten | <|:I:|tem> . unterstrichen | Fasten (<|:I:|tem> . fehlt) | ||
Fasten Spezial (est) | Fasten Spezial (sit) | Fasten Spezial (sit) | |||
Fasten Ausnahmen (magistro domus) | Fasten Ausnahmen (magistro) | domus üb.d.Z. | Fasten Ausnahmen (sacerdoti suo) | ||
- | [2-3 Leerzeilen] | Totengebete | Totengebete | ||
Gemeinsame Mahlzeiten | Wein | Wein | Wein | ||
[2 Leerzeilen] | |||||
Fleisch (dominica) | Fleisch (in dominica) | Fleisch (in dominica) | |||
Essen auswärts (a fidelibus hospitio) | Essen auswärts (in hosspiciis fidelium) | Essen auswärts (in hosspiciis fidelium) | |||
[2 Leerzeilen] | |||||
Schweigen bei Tisch uel inter se uel magistro | Schweigen bei Tisch excepto magistro | vel magistro vel inter se üb.d.Z. | Schweigen bei Tisch vel magistro inter se | ||
Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem uel nisi missa sit eis aliqua elemosina | Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem . vel missam aliquam presentationis elemosinam | propter üb.d.Z. vor missam | Mahlzeiten pro Tag nisi propter sacrum diem vel propter missam aliquam elemosinam | ||
- | [2 Leerzeilen] | BRGb: Gehorsam=keine Wanderschaft | Gehorsam=keine Wanderschaft | ||
Eintritt und Arbeit | Eintritt facta professione | Eintritt postea mutata sententia | post professionem factam | post professionem factam | |
Aufnahme und Speisung von Peregrini caritatiue recipietur caritas eiusdem loci materfamilias prouidebit |
Aufnahme und Speisung von Peregrini recipietur dabitur |
caritatiue üb.d.Z. vor recipietur caritas eiusdem domus providebit |
Aufnahme und Speisung von Peregrini caritatiue recipietur caritas eiusdem domus providebit |
||
- | [1 Leerzeile] | ||||
Krankenkost siquo modo | Krankenkost si ullo modo | commode nach modo üb.d.Z. | Krankenkost si ullo modo commode | ||
Strafen i.Zshg.m. Essen | Unbefugtes Verlangen=>2 T W&B | Unbefugtes Verlangen=>2 Tage Fasten bei Wasser und Brot | Unbefugtes Verlangen=>2 T W&B | ||
Essen verwerten=>1 bzw 3 T. dito, bei Wdh. Rauswurf | Essen verwerten=>2 T. dito, bei Wdh. Rauswurf | panem durch cibum vel potum ersetzt | et comprobatus fuerit hinzugefügt | Essen verwerten=>2 T. dito, bei Wdh. Rauswurf wie BRGg | ||
- | [1 Leerzeile] | BRGc: Externe Schläger => Rauswurf | - | ||
Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf ne domus per eum detrimentum patiatur | Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf | ne domus per eum detrimentum patiatur in leerem Zeilenrest hinzugefügt | Diebstahl => je nach Schwere bis zu Rauswurf ne domus per eum detrimentum patiatur | ||
noch zu Gemeinsame Mahlzeiten | Vorzugskost Priester | - | - | ||
Vorzugskost allgemein | - | - | |||
Sonstige Strafen | BösesWort => am Boden essen | BösesWort => am Boden essen | + | + | |
- | [Rest der Zeile leer] | BRGd: Percussor=>zusätzl. Schläge | + | + | |
Fornicatio=>am Boden essen + Schläge | Fornicatio=>am Boden essen + Schläge | + | + | ||
- | [Rest der Zeile leer] | BRGe: vel infantem genuerit…=>Rauswurf bedingt | Si vero secundo infantem genuerit…=>Rauswurf unbedingt | * | |
Erweiterte Beitrittsmöglichkeiten | Verheiratate I | Verheiratete [Bedingung offen gelassen] | + | + | |
[1 Zeile leer gelassen] | BRGf: [Bedingung nachgetragen] | [Bedingung bekräftigt; wörtlich = GEN] | + | ||
Verheiratete II | Reiche | + | + | ||
Habitus, Ausgang | Kleider und Schuhe | Kleider und Schuhe | + | ||
Einladungen zu Bekannten | Einladungen zu Bekannten | + | |||
Haus-Ordnung | Gehorsam dem Meister | - | Gehorsam dem Meister | ||
Lebenswandel der Bediensteten | - | Lebenswandel der Bediensteten | |||
Externe Pfründner | - | - | |||
Besitzverzicht Kranke | Krankenaufnahme m. Beichte&Besitzverzicht | - | Krankenaufnahme m. Beichte&Besitzverzicht | ||
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Gehört zur ältesten Textschicht, 1188 zuerst bezeugt. Zählt tägliche Gebete auf, legt Fastenzeiten fest, regelt Ausnahmen und Dispensmöglichkeiten.
{Tagzeiten-Gebete:} In Brügge, Lübeck 1263, Lübeck 1294, Kiel werden zu den sieben Tagzeiten je sieben Vaterunser für die Wohltäter des Hauses gebetet, ohne Ausnahme wegen irgendeiner Beschäftigung, außer bei Krankheit.
In Gent betet man diese 49 Vaterunser für den Schutz des Hauses und weitere hundert pro Tag für die Wohltäter desselben. Bei den Tagzeiten-Gebeten wirkt der Genter Text besonders "aufgeräumt" im Vergleich mit dem Brügger, der irgendwie "angestückelt" wirkt: Gent nennt die Häufigkeit und Anzahl der Vaterunser an einer Stelle zwischen dem Subjekt und dem Verb: Subjekt—pro qualibet .uii. horarum quae celebrantur in ecclesia: septies—Verb—Objekte, wohingegen Brügge dieses praxisrelevanteste aller Satzglieder auf drei Stellen "verteilt": am Anfang, zwischen Subjekt und Objekt1 und zwischen den Objekten: Iuxta numerum septem horarum diuine laudis que celebrantur in ecclesia:—Verb—Subjekt—omni die—Objekt1—.pro qualibet uii horarum septies—Objekt2, wobei septem horarum sogar wiederholt wird.
In Ypern betet man je sechs Vaterunser plus sechs Avemaria.
Ab Gent und der Brügger Neufassung, sowie in Lübeck, Ypern und Kiel sollen auch die Kranken Gebete verrichten, und zwar dreißig Vaterunser (in Ypern dreißig Vaterunser und dreißig Avemaria). Ob das noch nur von den kranken Brüdern und Schwestern gilt oder auch von den Kranken, die man im Haus pflegt, geht aus den Texten nicht direkt hervor.
In Travemünde variiert die Menge je nach Tagzeit und man betet dreißig Vaterunser und Avemaria zur Matutin, fünfzehn zur Prim, je sieben zur Sext und Non, fünfzehn zur Vesper und sieben zur Komplet. Eigens über Krankheit wird nichts geregelt.
{Fastenzeiten}: In Brügge wie in Gent und auch in Ypern fastete man von St. Martin bis Weihnachten, in der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern, an den Quatember-Tagen, den Vigilien und allen Freitagen. In den ersten drei Wochen nach St. Martin aß man täglich außer freitags und in den anderen drei Wochen täglich außer montags, mittwochs und freitags, album, sonst strenge Fastenspeise.
In Lübeck und in Kiel fastete man an denselben Tagen wie in Brügge und Gent, aber vor Weihnachten nur im Advent, und zwar gab es in dieser Zeit sonntags zweimal, dienstags und donnerstags einmal lacticinia bzw molken mit der Begründung, ut eo forciores existant oracionibus et bonis operibus domino seruientes | dat se gode in bede vnde in arbeide deste bet gedenen. In Ypern ... blanc.
So sehr man sich also z.B. in Lübeck im allgemeinen an den Wortlaut einer anderen Regel (der Brügger) hielt, so spürbar konnte offenbar die tatsächliche Praxis abweichen. Immerhin gab man dafür dann auch einen Grund an.
{Spezial-Fasten}: In Brügge, Gent, Lübeck und Kiel galt, daß, wem früher eine härtere Buße auferlegt worden wäre, er ab wann er Bruder geworden ist, nur die gleichen Bußwerke tun soll wie seine Mitbrüder. In Travemünde ist direkt bestimmt, daß niemand, außer mit Erlaubnis des Bischofs, außer der Zeit an Freitagen, Mittwochen und Samstagen (???) fasten soll. Kann man sich als Hintergrund vorstellen, daß einzelne unter Verweis auf besondere Bußleistungen vielleicht zur Arbeit weniger zu gebrauchen waren oder einfach das einträchtige Zusammenleben störten?
{Fasten-Ausnahmen}: Im Genter Sint-Janshospitaal gab es zwar einen Geistlichen, der Messe las und Ehrenvorrechte genoß, aber er war offenbar nicht dessen zuständiger Pfarrer (was aus der Regelung der Beichte bei der Krankenaufnahme hervorgeht) und somit nicht berechtigt, Bußen aufzuerlegen oder davon zu dispensieren. Daher stimmt der Genter Text in diesem Punkt noch mit der Brügger Erstfassung überein. Gent ergänzt domus zu magistro: hoc magistro domus revelabit, BRGg trägt dieses domus üb.d.Z. nach, es unterscheidet wohl den magister domus von einem magister spiritualis. Später, bereits zur Zeit der Neufassung BRG2 und in LÜB1 LÜB2 IEP KIE kann man direkt zum eigenen Hospitalpfarrer gehen, um eine Fasten-Dispens zu bekommen, und der Umweg über den magister (domus) ist überflüssig und fällt weg.
{Totengebete}Siehe dazu jetzt, über hauptsächlich spätmittelalterliche Verhältnisse, Frank, Seelenheil mit zahlreichen Verweisen auf weitere Literatur.
{Mahlzeiten pro Tag}: In Brügge wie in Gent sollte es zwei Mahlzeiten am Tag geben, "weder mehr noch weniger". Lübeck und Kiel haben später die Zahl drei statt zwei. Soweit klar und eindeutig. Unklarer sind die Ausnahmen, wenn es sogenannte Pitanzen gab: ursprünglich sollte es solche in Brügge wegen eines Feiertags und eines gespendeten Almosens missam presentationis elemosinam geben. Genauso in Gent, doch ist der Satz dort so gebaut, daß missa nur als Partizip Perfekt Passiv zu Almosen verstanden werden kann; das seltsame presentationis fehlt. BRGg fügte in den Brügger Text ein zweites propter ein, wodurch es möglich wurde, missam als Substantiv im Akkusativ zu verstehen, parallel zum vorhergehenden propter sacrum diem, und eine (Handels-)Messe als Grund von Almosen. In der Neufassung BRG2 ist das überflüssige presentationis fortgelassen und die Formulierung wieder etwas klarer. In Ypern hat man propter missam tatsächlich als pour aucune messe solempneuse ins Französische übersetzt. In Lübeck und Kiel aber nicht.
{Schweigen bei Tisch}: Daß der Meister von dem Schweigegebot bei Tisch ausgenommen sein sollte, ist bereits von der ersten Hand in Brügge mittels eines großen Verweiszeichens nachträglich eingefügt worden; Gent steht es hinter einem trennenden Satzzeichen. Auch die sie Bedienenden eis vero servientes dürfen leise das Nötigste unter einander reden, In Gent ausdrücklich auch mit dem Meister. BRGg hat das durch ein zusätzliches vel magistro vel vor inter se in Brügge nachgetragen. An dieser Stelle im Satz konnte es magistro nun aber auch parallel zu eis verstanden werden, besonders wenn das zweite vel entfallen oder bewußt weggelassen war, wie in der Brügger Neufassung: die sie oder den Meister Bedienenden, vielleicht wurde der tatsächlich besonders bedient. Ypern wieder hat es genau so ins Französische übersetzt cil ki à aus ou al meistre servent pueent parler, Lübeck ins Deutsche de dar denet, de mogen vnder sic efte to deme mestere sachteliken spreken dagegen ohne den ursprünglichen Sinn zu ändern.
{Eintritt}: In Gent wird zuerst der Auszug nach beendeter Probezeit und dann der endgültige Eintritt mit Profeß geregelt, sonst überall ist die Reihenfolge umgekehrt. post professionem factam] hier über durchstrichenem postea mutata sententia; im Textfluß BRG2 LÜB KIE; man wollte es professio nennen; in Gent heißt es auch so.
{Aufnahme und Speisung der peregrini und der Kranken}: caritatiue, ein nicht gerade gleichgültiges Adverb zu recipiatur. vgl JER: et ibi quasi dominus secundum posse domus omni die antequam fratres eant pransum caritative reficiantur - GEN [481—484]: caritas eiusdem loci materfamilias providebit ei ad comedendum — BRG hatte noch gar nicht gesagt, wer den armen Gästen Essen gibt, nur daß: dabitur ei ad comedendum — BRGg hat das, wenn auch nicht ganz wortgleich, über der Zeile nachgetragen: caritas eiusdem domus providebit, und BRG2 hat es in den Textfluß eingefügt - 579 commode!!!
{Essen verwerten} GEN [561—595]: differenziert 1 Tag Fasten, wenn für sich selbst oder einen anderen, 3 Tage wenn für Verkauf oder einen Freund "furtive abstulerit" - cibum vel potum] hier über durchstrichenem "panem"; GEN BRG2 LÜB KIE in der Zeile. "Es sei nicht verschwiegen, dass offensichtlich viele der armen Dürftigen wie auch einige Pfründner ihre Weinration nicht selbst tranken, sondern außerhalbdes Spitals verkauften. Diesem Missbrauch wurde im Memminger Unterhospital durch eine Ordnung von 1590 Einhalt geboten. Sie schreibt nämlich fest, dass jeder Spitalinsasse, der die ihm zugestandene Weinration nicht trinken wolle, dafür 15 Pfennige pro Maß erhalten könne. (Drossbach, Herrenspeise, S. 14 nach Lambacher, Spital Memmingen, S. 122
{Diebstahl}: GEN 630 trium ⬌ duorum BRG2 - et comprobatus fuerit] hier über der Zeile hinzugefügt; GEN BRG2 LÜB KIE in der Zeile; conprobatus LÜB. ne domus per eum detrimentum patiatur] hier in freigelassenemem Zeilenrest hinzugefügt; im Textfluß GEN BRG2 LÜB KIE.
{BösesWort => am Boden essen}: [755—774] eodem modo sedebit ad comedendum cuique pro reatu suo ieiunium panis et aque imponitur qui turpia fratri uel infirmo dixerit
Die beiden letzten Kapitel in Brügge über {Verheiratete} einerseits und separat Wohnende Reiche andererseits, sind in Gent ein einziges Kapitel: Dessen zweiter Teil setzt nicht wie das zweite in Brügge mit Item ein und thematisiert reiche Leuten, die mit Brüdern und Schwestern zusammenleben möchten, sondern knüpft einfach an das Keuschheits-Versprechen an, das Verheiratete ablegen mußten: wer das nicht leisten will oder kann, soll sich sein eigenes Häuschen neben dem Hospital bauen und dort auf seine Art leben und nur einen Teil seines Besitzes dem Hospital abtreten. Die Genter Formulierung ita tamen si deinceps … hat BRGg in Brügge im Anschluß an die Zufügung von BRGf in die letzte Leerzeile eingefügt und den verbliebenen Zeilenrest mit zwei weiteren Genter Kapiteln gefüllt. So ist, was in Gent am Ende steht, in Brügge zwischen die beiden letzten Kapitel geraten — und auch bei der Neufassung an dieser Stelle belassen worden.
Laqua, Bruderschaften und Hospitäler, S 271f. über Brüsseler Verhältnisse: die Einschränkung auf Besitz- und Kinderlose jenseits gebärfähigen Alters bedeutete: Leute ohne eigene Altersversorgung, als solche Bewohner des Brxer HlGHosp bereits 1195 v Hz v Brab Steuerbefreiungsprivileg. Bauliche Differenzierungen innerhalb des Hospitals: mansiones infra septa
Frank, Seelenheil, 219 bei Anm 15
Über Aufbau und Inhalte des Brüsseler Regeltextes von 1211 siehe jetzt Laqua, Bruderschaften und Hospitäler, S. 273-288.
Auch die Regel Raymonds du Puy für das Johanniter-Hospital Jerusalem besteht offensichtlich aus mehreren Schichten verschiedenen Alters. Sie beginnt mit den Grundsätzen der Besitzlosigkeit und Versorgung, eingebunden in die Drei Gelübde. An zweiter Stelle hat sie würdiges Auftreten in der Kirche und unanstößiges Verhalten in der Öffentlichkeit (bei Sammelreisen) zum Gegenstand. Dann folgt nur ganz knapp in ein Kapitel zusammengedrängt etwas über einfache Kleider, Mahlzeiten pro Tag, Fleisch essen, bekleidet schlafen. Danach werden schwerste Vergehen samt Bestrafung ausführlich behandelt. erneut knapp über Schweigen bei Tisch und im Bett, abends nur Wasser, weiteres über Vergehen und Strafen allgemein, Tote - der mit einer Schlußformel endet und vier anscheinend später angehängten Kapiteln: Krankenaufnahme, Untreue => Rauswurf, nochmal gegenseitiges Ermahnen, Abzeichen.
Hier ist das berühmte Kapitel vorgezogen.
Auch sie beginnt mit den Grundsätzen der Bestzlosigkeit und Versorgung, wie in BRG-GEN nicht in die Drei Gelübde eingebettet. An zweiter Stelle folgen Kapitel über gemeinsame Mahlzeiten, wobei die Tischlesung zuerst und sehr ausführlich behandelt wird, dann die Zahl der Mahlzeiten pro Tag, das Fasten und schließlich, wann man Fleisch ißt. Danach folgt direkt das berühmte, in Jerusalem später angehängte Kapitel über die Krankenaufnahme mit Beichte und Kommunion. Als nächstes die Kapitel der Johanniterregel über Auftreten in der Kirche und Öffentlichkeit.
so hat es bereits die Forschung vor über hundert Jahren gesehen: Le Grand, S-Jean Jerusalem, S. 344; Ambraziejuté, Johanniter-Regel, S. 8.[x]
Siehe oben bei Anm. 1 in der Einleitung.[x]
Drossbach, Caritas als Rechtsinstitut und dazu Rehberg, Rez. Drossbach[x]
Im Januar 1188 ließen Brügger clerici et laici probatissimi einen Regeltext für die Brüder und Schwestern ihres nicht lange zuvor neben der O.L.V.-Kirche gegründeten Sint-Jans-Hospitals in Urkundenform auf Pergament schreiben und mit dem Siegel des Hospitals selbst (es hatte schon eines), dem der benachbarten Pfarrkirche und wahrscheinlich dem des Stadtmagistrats besiegeln. Man hatte zu Beginn der Niederschrift noch Ergänzungen erwartet, denn man ließ zwischen fast allen Kapiteln je eine oder zwei Leerzeilen frei, jedoch weder zwischen dem Urkundenprotokoll und dem ersten noch zwischen dem letzten Kapitel und dem Eschatokoll.
Der Text wurde an fünf Stellen auf Leerzeilen vielleicht durch andere Hände, jedenfalls zu verschiedenen Zeitpunkten nach der ersten Niederschrift in Urkundenschrift um Zusätze und neue Kapitel ergänzt, die .... Sofern unsere Auffassung, daß solche Zusätze eine bereits besiegelte Urkunde eigentlich verfälschen, der damaligen entspricht, wohl noch im Januar 1188, den die vom ersten Schreiber stammende Schlußzeile in feierlicher Elongata als Datum nennt, oder jedenfalls recht bald danach.
In Gent tat man Gleiches bis zu acht Jahre danach, 1196, mit im Prinzip dem gleichen Text: er umfaßt die gleichen Kapitel wie die Brügger Erstfassung in derselben Reihenfolge, jedoch keinen der erwarteten Nachträge und zusätzlich sechs Kapitel am Schluß, zwei im Innern und eines am Anfang. Die Genter Urkunde ist aber von einer Hand in einem Zug ohne Leerräume geschrieben und füllt das schmale und hohe, besiegelte Pergament ganz aus. Den Prozeß der Erweiterung kann man also nicht wie in Brügge an der Handschrift beobachten, er war 1196 bereits abgeschlossen. Auch unterscheidet sich der Genter Text in manchen Kapiteln inhaltlich, in fast allen stilistisch etwas von dem Brügger Text, er wirkt wie eine sprachlich verbesserte Version desselben. Wobei er ja durchaus nicht 1188 in Brügge entstanden und 1196 nach Gent übernommen worden sein muß; Brügge und Gent können ihn auch vor 1188 und 1196 woanders her genommen und ihn sich in dieser Zeit an jedem Ort auf eigene Weise angepaßt haben, Brügge mit erwarteten Nachträgen, Gent mit sieben neuen Kapiteln, die Brügge dann nach 1196 auch bald übernommen hat.
[]
Immerhin hatten sie sieben andere neue Kapitel, die die Brügger wenig später auch haben wollten. Woher diese neuen Kapitel nach Gent und Brügge gekommen sein könnten, müssen wir beim Vergleich mit anderen Texten noch herauszufinden versuchen.
Wie dem auch sei, mit diesem Genter Text oder einer jüngeren Vorlage desselben vor Augen, hat jemand den Brügger Text direkt auf der besiegelten Urkunde von 1188 in Kursivschrift zwischen den Zeilen überarbeitet. Konnten die erwarteten Nachträge mehr oder weniger kurz nach der Datierung hinzugekommen sein, muß diese Bearbeitung nach Januar 1188 erfolgt sein. Die meisten Änderungen dieses Interlinear-Bearbeiters gleichen Brügger an Genter Fassungen an, einige sind aber ohne Parallellen in Gent. Die meisten inhaltlichen Varianten Gents hat er nach Brügge übernommen (was den Priester des Hospitals und was die externen Pfründner betrifft, nicht), aber die stilistischen "Verbesserungen" kaum. Die zusätzlichen Genter Kapitel an den entsprechenden Stellen in Brügge hinzuzufügen, war ihm durch den ersten Schreiber der Brugger Urkunde erschwert, der ja, vielleicht absichtlich, um gewichtige Zufügungen an Kopf und Fuß zu verhindern, ausgerechnet ganz am Anfang und ganz am Schluß keine Freiräume zwischen Urkundenformeln und Kapiteln gelassen hatte; vielleicht war das auch die Voraussetzung, um so etwas wie eine offene Urkunde überhaupt ausfertigen zu können. Jedenfalls mußte der Bearbeiter, der die neuen Genter Kapitel hinzufügen wollte, den letzten verbliebenen Freiraum, das war zwischen vorletztem und letztem Kapitel über Verheiratete bzw. reiche Leute, sehr klein und mit vielen Abkürzungen schreiben, um wenigstens zwei hineinzubekommen.
Die noch fehlenden neuen Genter Kapitel am Schluß und auch das am Anfang vor dem Kopfteil ließen sich erst bei einer kompletten Neufassung der Brügger Regel einfügen. Dabei hat man alles genau in der Reihenfolge wie auf der alten Urkunde übernommen, die erwarteten Nachträge bis auf einen, alle Änderungen und Zufügungen des kursiven Bearbeiters, auch die zwischen vorletztem und letztem Kapitel eingeschobenen neuen Genter Kapitel wieder genau an dieser eigentlich nicht sinnvollen Stelle, und die, die ganz oben und ganz unten nicht mehr hingepaßt hatten, ganz oben und ganz unten, wiewohl ordnungsgemäß umschlossen von den Urkundenformeln, besiegelt ist das Stück, aber nicht datiert. Man möchte davon ausgehen, daß die Neufassung nicht lang nach der Interlinearbearbeitung der alten Urkunde geschehen ist, denn erst durch sie wurde ja deren Ziel, die neuen Genter Kapitel in die Brügger Regel einzufügen, erreicht.
Fazit: Brügge 1188 und Gent 1196 sind
Maréchal, Brugge, S. 37f.[x]
Das Genter St-Janshospitaal sei ebenso wie das Brugger erst kurz zuvor begründet worden und die Regel-Urkunde sei auch für dieses das älteste schriftliche Zeugnis.Maréchal, Brugge, S. 38.[x]
Die erwarteten Nachträgen in Brügge, weil sich in Gent nicht eine Spur davon findet, für jünger als 1196 anzusehen widerstrebt mir, denn dann wären acht oder mehr Jahre nach Besiegelung noch Änderungen an einer besiegelten Urkunde vorgenommen worden. Eher wird man annehmen müssen, daß man in Gent nicht so sehr an diesen Inhalten interesseiert war; immerhin hatte man sieben andere Kapitel zu dem mit Brügge gemeinsamen Grundbestand hinzugenommen.[x]
Maréchal, Brugge, S. 95f. untersucht mögliche Übernahmen aus der Johanniterregel, ohne eindeutige zu finden.[x]
Obwohl wie in der Erstfassung drei Siegelschlitze eingeschnitten sind, hängt nur das Siegel des Hospitals; das lassse vermuten, daß dieses Schriftstück alleen voor intern gebruik hergestellt worden ist. Maréchal, Brugge, S. 100.[x]
Maréchal, Brugge, S. 98-100, nimmt jedoch aufgrund der Schrift (die i.E. in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zu datieren ist), des Siegels (das in dieser Version sonst an Urkunden aus den Jahren 1227 und 1231 hänge) und des Fehlens von Spuren einiger 1227, 1228 und 1236 erfolgter Regelungen an, daß diese Fassung erst im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts entstanden sei. Nur daß veel toevoegingen en verbeteringen wohl allgemein die Lesbarkeit der älteren Urkunde beeinträchtigt hätten, Dit kan een reden geweest zijn om een nieuwe versie te maken., bemerkt sie, nicht aber, daß das inhaltliche Ziel der Interlinearkorrekturen auf der alten Urkunde, die Einfügung aller neuen Kapitel der Genter Regel, erst durch die Anfertigung der neuen Urkunde erreicht worden ist, was meines Erachtens dafür spricht, die Entstehungszeiten der beiden, anders als MARÉCHAL es tut, eng beieinander anzunehmen.[x]
zu evtl Einfluß Jerusalem auf Brügge Maréchal 95ff
Der Schlüssel zur Bestimmung des Altersverhältnisses zwischen der Jerusa-lem-Brüsseler und der Brügge-Genter Tradition zum Thema Aufnahme der Kranken liegt darin, daß Brügge B' und Gent sie beide in nacheinander niedergeschriebenen Textschichten aufweisen die durch die Brügger und die Genter Originalurkunde klar datiert werden können.
Die ursprüngliche Brügger Tradition
Item Siquis peregrinus vel errans …
,
die bereits in der Urkunde von 1188 steht ist also älter als
Quicumque igitur infirmus domum ingressus fuerit primum Deo per confessionem …
,
die Jerusalem-Brüsseler Tradition, die die Neufassung Brügge B' und die Genter Ur-kunde von 1196 am Ende hinzugefügt haben. Der Jerusalem-Brüsseler Einfluß auf Brügge-Gent hat zwischen Januar 1188 und 1196 gewirkt.
Wäre die Jerusalem-Brüsseler Tradition dem Verfasser von B im Januar 1188 bereits bekannt gewesen, so wäre schwer zu erklären, warum er sie nicht verwendet. haben sollte. Daß 1188 in Brügge noch keine Kranken gepflegt worden wären und es deswegen keinen Grund gegeben hätte, die Bestimmung aus Jerusalem-Brüssel über sie einzufügen, kann nicht sein: man hatte ja eine Bestimmung über die Speisung der Pauperes et inbecilles lecto accumbentes
, nur eben nicht die aus Jerusalem-Brüssel. Daß die Jerusalem-Brüsseler Tradition 1188 schon bestanden hätte, aber in Brügge noch nicht bekannt gewesen wäre, ist bei der zentralen Verkehrslage und dem überaus regen Reiseverkehr dieser Stadt ebenfalls sehr schwer vorstellbar.
Beim Thema Stundengebet haben wir gesehen, wie der Bearbeiter Bg eine alte Brügger Formulierung unterpungiert und über der Zeile durch diejenige aus Brüssel ersetzt hat; also dürfte auch beim Themenbereich Kranke Brüsseler Einfluß die Änderungen und Hinzufügungen in Brügge bewirkt haben und nicht die Brüsseler Tradition auf Brügge-Gent zurückgehen.
Die Anfügung zum Verbleib der Güter eines Eintretenden konnten Brügge-Gent nur aus Brüssel, nicht aus Jerusalem übernehmen. Jerusalem kann deshalb für Brügge höchstens indirekt über Brüsseler Vermittlung ein Vorbild gewesen sein.
Jerusalem mit der vollständigen Sakramentenspendung kann im übrigen eher Vorlage für Brüssel-Brabant gewesen sein, das die Kommunion weggelassen und Eigentumsbestimmungen daran geknüpft hätte, als daß umgekehrt Jerusalem die Eigentumsbestimmungen weggelassen und die Kommunion zur Beichte hinzugefügt hätte - das sollte aber noch durch weitere Belege gestützt werden.
Vergleicht man, was die Brügger und was die Genter Übernahme mit der Brüsseler Vorlage gemacht haben, setzt die erstere bereits einen eigenen Hospital-Pfarrer voraus, der den Kranken im Hospital die Beichte abnimmt, während das in Gent noch einem der örtlichen Pfarrer vorbehalten ist. Leider haben wir vor 1200 noch keine anderen Quellen darüber, wann das Brügger St.-Janshospitaal eine eigene Pfarrei geworden ist.
Cambrai-Lessines unbeeinflußt von Jerusalem-BrüsselEine Beeinflussung durch Jerusalem-Brüssel wie in Brügge hat es in Cambrai-Lessines überhaupt nicht gegeben. Noch 1247 übernimmt Lessines die Formulierung Cambrais, in der nichts von Beichte oder Kommunion beim Eintritt eines Kranken und auch nichts vom Verbleib seines Eigentums gesagt ist.
Cambrai ist durchaus erklärbar als eine religiöse Parallelle zu der ältesten Schicht Brügges. Im Vergleich zu Brügge beschränkt sich Cambrai auf Aufnehmen, Speisen und Pflegen von Kranken, Reisende kommen nicht vor, und es ist begibt sich bei der Formulierung dieses Gebots in die Nähe der Benediktinerregel: Omnes supervenientes hospites tanquam Christus suscipiantur
. Die Kranken sind mithin die Herren des Hauses. Keine Rede ist aber davon, daß die Kranken bei ihrer Aufnahme Sakramente empfangen würden. Die Einschränkungen der freien Spei-senwahl auf Schwerkranke, wie in Brügges ältester Schicht, gibt es in Cambrai-Lessines auch nicht, und am Ende ist noch eine allgemeine Bestimmung über sorgfäl-tiges Behüten (custodia
) der Kranken hinzugefügt, die es wiederum in Brügge nicht gibt. Erklärbar sind diese Unterschiede eventuell auch durch eine andere Klientel, aber die Tendenz zum Religiösen allein hätte auch schon genügt, die Kranken und deren Pflege in den Mittelpunkt zu stellen, ist das doch ein Werk der Barmherzigkeit und eventuell auch bereits eine asketische Übung, Reisende zu beherbergen dagegen nicht.
Der Brügger Bearbeiter Bg, der in die ältere Brügger Formulierung Siquis peregrinus […] hospitium a domo requisierit recipietur una nocte tantum
vor recipietur
das Wort caritative
über der Zeile eingefügt hat, Cambrai als Vorbild gehabt haben.
Also warum gerade in diesen Gebieten Hospitalregeln und in den weniger urbanisierten wie auch in den mehr urbanisierten keine?
Freue mich über feedback übers fediverse
© Bernhard Höpfner 2002-2022.