Mittelalter-Hospitäler in Geschichtsdarstellungen |
Johanniterregel und Heilig-Geist-Regel gelten seit der Herausbildung der Krankenpflege als aufopferungsvoller
und selbstloser
Frauenberuf im 19. Jh. als die mittelalterlichen Vorbilder für christliche Caritas bzw. Diakonie. Dabei sind ihr genaues Alter und ihre Entstehungszusammenhänge recht unklar. Regeln von Hospital-Bruderschaften in niederländischen Handelsstädten des späten 12. Jahrhunderts sind dagegen als Originalurkunden erhalten. Die den Kranken zu erweisende Unterstützung und Pflege steht darin nicht in dem liturgischen und asketischen Kontext wie in den Hospitalordensregeln, eher wie gegenseitige Hilfe, die ein reisender Kaufmann zum Beispiel dem andern leistete. Möglicherweise sind die einschlägigen Bestimmungen der bruderschaftlichen Hospitalregeln sogar ursprünglicher als die der Ordensregeln und diese von jenen abgeleitet.
Ausgangspunkt | Die Texte | Gruppierung der Texte nach Wortlautübereinstimmungen | Unterscheidung der verschiedenen Inhalts-Schichten in den Textgruppen | Entwicklungsgeschichte der Inhalte und der Texte | Resümee |
Sammlung | Überlieferung | Form | Gebrauch | Forschungsstand zur Entstehungsgeschichte | Ergebnis |
Handschriften | Drucke und Editionen |
Von drei der ältesten Hospitalregeln haben wir zugleich die zuverlässigste handschriftliche Überlieferung: denen der St.-Jans-Hospitäler von Brügge und Gent. Sie sind als Original-Urkunden mit (wenn auch nicht taggenauem) Datum vom Ende des 12. Jahrhunderts erhalten. Die ältere der beiden aus Brügge weist eine Menge Bearbeitungen von verschiedenen Händen auf, die in der jüngeren und in der aus Gent zum Teil mit im Textfluß stehen. Bei meiner Textwiedergabe habe ich diese Texte zeichengetreu nach Fotos der Original-Handschriften wiedergegeben, da beispielsweise die Zeichensetzung für das Unterscheiden älterer von später hinzugefügten Textbestandteilen wichtig sein kann. Ist das Formular dieser städtischen Urkunden eher unvollständig,…
Abb. 1b: Brugge, St. Jan, Januar 1188?, Erwartete Nachträge BRGb bis ~f
Abb 1c: Brugge, St. Jan, nach Januar 1188 Interlinear-Bearbeitung BRGg
Abb. 2: Gent, St. Jan, 1196 GEN
Mechelen, Leprose, 1220 Okt. auf Mechelen/Malines, Stadsarchief, S, Hospices (Lépreux), S. I, nr. 1. (Safe II)
Gent, Leprose, 1236 regle der gandser brodre ende sustre uander lazerze hus uan gent 1236 auf Gent/Gand, Archives de l'État/Rijksarchief, Fonds Rijke Gasthuis, voorlopig nr. B4594
…so sind aus dem 13. bis frühen 14. Jahrhundert vor allem von Bischöfen von Cambrai und Tournai Urkunden mit vollständigem Formular original oder als originale Bestätigungen (Vidimus) erhalten, die Hospitalgemeinschaften Lebensregeln, die sie bereits befolgten, bestätigen oder neue vorschreiben. Auch diesen bin ich bei meiner Textwiedergabe zeichengetreu gefolgt.
Abb. 5: Abbeville
Herentals/Hérenthals, Bischofsurkunde, 1253 auf Herentals/Hérenthals, arr. Turnhout, [Hospitalarchiv]
Aalst, Hospital, Regele ofte institutie, 1266 auf Gent/Gand, Archives de l'État/Rijksarchief, Fonds O.L.V.-hospitaal te Aalst, I, 2
Bei den anderen ist der Abstand zwischen dem angegebenen Abfassungsdatum des Textes und der Entstehungszeit der Abschrift wesentlich größer. Ich habe diese Texte einfach nach Drucken und Editionen wiedergegeben und Varianten der Handschriften nur, wo sie zusätzlichen Aufschluß geben könnten, aus den Drucken bzw. Editionen mit übernommen.
Auf die kompizierte Frage nach den ältesten Handschriften der Johanniter- und der Heilig-Geist-Regel gehe ich später ein, wenn die Entstehungszeit dieser Texte zu beleuchten ist. Hier nur, um die Galerie zu vervollständigen, zwei Fotos ihrer wichtigsten Handschriften:
Cambrai/Kamerijk, Hospital S. Julien, Regule constitutio, 1220.05 auf Cambrai/Kamerijk (Diözese), Bibliothèque municipale, Archives hospices de Cambrai, St-Julien, Signatur.: I A 5 (früher no. 329)
Cambrai/Kamerijk, Hospital S. Jean, Modus vivendi forma, 1227.06 auf Cambrai/Kamerijk (Diözese), Bibliothèque municipale, Archives hospices de Cambrai, St-Jean, Signatur.: inseriert in: X A 2 (früher no. 348),
Abb. 10: Jerusalem, Johanniter St. Johannes Baptista, Precepta et statuta, 1154.10.21?
Abb. 11: Roma, S. Spirito, Regula, nach 1229
Von den in den Abb. 1, 10, .. und .. gezeigten Handschriften der ältesten Regel des Brügger Sint-Janshospitaal, der lateinischen Abschrift der Johanniterregel von 1253 und ihrer französischen und mittelhochdeutschen Versionen und von der Prachthandschrift der Heilig-Geist-Regel liegen gedruckte Faksimiles vor.
© Bernhard Höpfner 2002-2022.