Mittelalter-Hospitäler in Geschichtsdarstellungen |
Johanniterregel und Heilig-Geist-Regel gelten seit der Herausbildung der Krankenpflege als aufopferungsvoller
und selbstloser
Frauenberuf im 19. Jh. als die mittelalterlichen Vorbilder für christliche Caritas bzw. Diakonie. Dabei sind ihr genaues Alter und ihre Entstehungszusammenhänge recht unklar. Regeln von Hospital-Bruderschaften in niederländischen Handelsstädten des späten 12. Jahrhunderts sind dagegen als Originalurkunden erhalten. Die den Kranken zu erweisende Unterstützung und Pflege steht darin nicht in dem liturgischen und asketischen Kontext wie in den Hospitalordensregeln, eher wie gegenseitige Hilfe, die ein reisender Kaufmann zum Beispiel dem andern leistete. Möglicherweise sind die einschlägigen Bestimmungen der bruderschaftlichen Hospitalregeln sogar ursprünglicher als die der Ordensregeln und diese von jenen abgeleitet.
Ausgangspunkt | Die Texte | Gruppierung der Texte nach Wortlautübereinstimmungen | Unterscheidung der verschiedenen Inhalts-Schichten in den Textgruppen | Entwicklungsgeschichte der Inhalte und der Texte | Resümee |
Brügge–Gent–Lübeck–Ypern–Kiel | Brüssel–Herentals–Antwerpen–Geel–Aalst–Enghien | Abbeville–Amiens–Noyon–Beauvais | Cambrai–Lessines–Ieper Lepr. | Paris–Troyes–Saint Pol–Angers–Vienne | Oudenaarde–Gent Lepr. | Jerusalem–Rom S. Spirito |
Aufbau | Inhalte |
Brügger Erstfassung | Genter Regel | Nachträge, Bearbeitungen und Neufassung der Brügger Regel | Lübeck 1263 | Ypern | Lübeck 1294 | Kiel | Travemünde |
In einige der Leerräume der Brügger Erstfassung sind in Urkundenschrift Ergänzungen und zusätzliche Kapitel, sozusagen erwartete Nachträge, eingetragen worden.
Von allen diesen Nachträgen findet sich in dem Genter Text keine Spur. Mit Ausnahme dessen von BRGc sind in die Neufassung des Brügger Textes und in die Regeln von Lübeck, Ypern und Kiel aber alle eingegangen.
Nach dem erwarteten Nachtrag von BRGf ist eine kursiv schreibende Hand daran gegangen, den ganzen Text zwischen den Zeilen zu überarbeiten und auf verbliebenen Leerräumen zu erweitern, und zwar um drei neue Kapitel, eines anschließend an den Kopfteil, zwei zwischen vorletztem und letztem Kapitel auf den letzten freigelassenen Zeilen, diese nunmehr restlos ausfüllend:
Zum Kopfteil fügt BRGg Gebete für Tote hinzu; ein Kapitel ohne Entsprechung in Gent, das in Lübeck, Ypern und Kiel aber vorhanden ist.
Anschließend an das vorletzte Kapitel präzisiert BRGg zunächst noch einmal die Bedingungen für die Aufnahme Verheirateter, die bereits BRGf in einer freigelassenen Zeile ergänzt hatte: sie müssen bis an ihr Ende keusch leben, auch wenn eine(r) von ihnen gestorben ist, sonst dürfen sie mit der Gemeinschaft nicht zusammen leben. Genau mit den gleichen Worten wie in Gent, das dieses Kapitel deutlich kürzer hat. Direkt danach auf dem Rest der Leerzeilen fügt BRGg dann noch zwei Kapitel hinzu, die die Sichtbarkeit der Gemeinschaft in der Stadt angehen und uns aus Gent bekannt sind:
Schließlich hat man eine Neufassung der Brügger Urkunde von 1188 angefertigt, in der die erwarteten Nachträge außer BRGc, die kursiven Änderungen und Zufügungen von BRGg und zwischen Protokoll bzw Eschatokoll und Kontext endlich auch diejenigen Genter Kapitel, die BRGg auf der Urkunde von 1188 hinzuzufügen keinen Platz gefunden hatte:
Damit sind alle in Gent neu hinzugekommenen Kapitel auch in Brügge vorhanden, außer die über externe Pfründner und über den Priester.
© Bernhard Höpfner 2002-2022.